Uusikaupunki

8. bis 9. Juni 2023

Unsere letzten Tage an der Ostsee führen uns nach Uusikaupunki, was »reich an Fisch« bedeutet. In Uusikaupunki befindet sich die einzige Autofabrik Finnlands, die aktuell für Mercedes-Benz produziert. Eine Besonderheit des Ortes sind die vielen Holzhäuser, welche das Bild der Innenstadt prägen.

Holzhäuser in Uusikaupunki
Altar der alten Kirche in Uusikaupunki

Etwas weiter nördlich, in Pyheranta, fanden wir einen kleinen und sehr originellen Campingplatz am Meer. Es gibt dort ein Café, in dem sich Besucher des Campingplatzes und Bewohner des Ortes zu Karaoke- und Bingo-Abenden treffen. Bei unserer Abreise wurde sogar einen Flohmarkt auf dem Gelände veranstaltet.

Der Campingplatz in Pyheranta liegt direkt an der Ostsee

Auch hier gibt es wieder eine Sauna mit atemberaubendem Meerblick, die jeden Abend von den Dauercampern organisiert wird. Die Sauna ist ein guter Ort, um ins Gespräch mit den Finnen zu kommen.

Sauna mit Meerblick

Unsere Campingerfahrung in Finnland ist bisher durchweg positiv. Die Stellplätze sind kaum teurer als im Baltikum, bieten jedoch viel mehr Ausstattung. Immer ist eine voll ausgestattete Küche vorhanden, sodass man bei Bedarf auch aufwändiger kochen kann. Es gib immer Grillplätze und meist kostenfreies Brennholz. Ein Stellplatz ohne Sauna ist hier nicht denkbar.

Frühstück am Meer

Campingmobile, die frei stehen, haben wir selten gesehen. An den meisten schönen Stellen, beispielsweise den Parkplätzen an öffentlichen Stränden stehen Schilder, die das Übernachten verbieten. Die meisten Wege zum Meer und zu Seen, sind als privat gekennzeichnet: zwar dezenter als im Baltikum, aber dennoch klar verständlich. Vermutlich hat der Campingboom der vergangenen Jahre zu dieser Entwicklung geführt.

Europäischer Ostseeradweg Nr. 10

Seit Klaipeda in Litauen sind wir schon häufiger Teilstücke dieses Weges mit den Rädern gefahren. Auch auf unserer Reiseroute mit dem Bus hat uns dieser Weg immer wieder begleitet.

Der Radweg führt überwiegend auf öffentlichen Straßen rund um die Ostsee und seine gesamte Strecke beträgt fast 8000 km. Immer wieder trifft man auf Radfahrer mit Gepäck, die auf diesem Radweg unterwegs sind.

Am Ostseeradweg Nr. 10

In Finnland ist das Radfahren ungleich einfacher als in den baltischen Ländern, weil sich die Straßen in einem sehr viel besseren Zustand befinden. Allerdings gibt es auf dem Land kaum Fahrradwege. Dies ist auch nicht notwendig, weil die Nebenstrecken nur wenig befahren sind und die dort erlaubten Geschwindigkeiten bei 60 bis 80 km/h liegen.

Wer glaubt, dass es an der Ostsee kaum Steigungen gibt, irrt gewaltig. Auf den rund 1000 km, die wir bislang mit unseren Klappfahrrädern gefahren sind, mussten wir rund 5000 Höhenmeter bewältigen.

Was sonst noch passierte

Übernachtungs- und Grillplatz an einem Wanderweg

Inselhopping

5. bis 7. Juni 2023

Der Ort Kustavi ist der ideale Ausgangspunkt, um den südwestlichen Schärengarten Finnlands zu erkunden und dies haben wir in den vergangenen Tagen auch ausgiebig getan.

Blick von der Fähre in die Schären

Von Kustavi aus gibt es zwei Hauptrouten. Eine führt nach einer halbstündigen Überfahrt von Heponiemi auf eine Inselgruppe, deren Hauptinsel Iniö heißt. Von dort kann man die einstündige Überfahrt nach Nordlands antreten, was sich jedoch nur lohnt, wenn man mit dem Fahrrad den gesamten Archipelago Trail befahren möchte. Wir haben immer wieder Fahrradfahrer getroffen, die auf dieser Strecke unterwegs waren.

Karte des Archipelago Trails an einem Fähranleger

Die zweite Route, die ihren Ausgangspunkt in Kustavi hat, war das absolute Highlight unserer bisherigen Reise durch Finnland. Diese Route führt zu Åland Inseln. Man könnte auf dieser Route via Inselhopping bis nach Schweden reisen und von Mariehamn nach Stockholm übersetzen.

Die Fährgesellschaften möchten jedoch vermeiden, dass diese Verbindung als kostenlose Transitstrecke genutzt wird und erhebt auf einigen längeren Verbindungsstrecken hohe Gebühren für den Fahrzeugtransport. Als Fahrradfahrer reist man meist kostenfrei. Nur auf den längeren Fährstrecken bezahlt man eine moderate Transportgebühr.

Einziger Fahrgast auf einer Fähre

Wir sind von Kustavi auf die Insel Osnäs gefahren, haben die Insel durchradelt und sind von dort mit einer großen Fähre zur Insel Åva übergesetzt. Von dort verzweigt sich das Wegnetz und man erreicht die Nachbarinseln über Brücken, Fahrdämme oder mit den Seilfähren. Unser Aufenthalt auf den Ålandinseln war leider nicht von langer Dauer, weil wir mit der Nachmittags-Fähre zu unserem Ausgangspunkt zurückfahren mussten. Die Flora und Fauna dieser Inselwelt hat uns jedoch begeistert. Mit Worten lässt sich diese Landschaft kaum beschreiben. Vielleicht können die Fotos einen Eindruck vermitteln.

Gefragt haben wir uns allerdings, wie die Bewohner*innen dieser Inseln ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es gibt auf den kargen Felsböden nur wenige Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden können. Im Meer sieht man ab und an Fischfarmen und es gibt Kaffees, Restaurants und Ferienhäuser. Der Tourismus wird jedoch nur in den Sommermonaten einträglich sein.

Fischfarm auf den Åland-Inseln
Tankstelle für Schiffe und Autos auf der Insel Iniö

Auf den Fähren herrscht gegen Abend ein reger Betrieb. Vermutlich pendeln viele Inselbewohner zur Arbeit auf das Festland.

Rushhouer auf der Kustavi-Fähre

Was sonst noch passierte

Unser erster Elch.

Am Tag darauf haben wir echte gesehen aber vor Schreck nicht fotografiert.

Finnische Sauna

4. bis 5. Juni 2023

Nach dem finnischen Tango, den wir vor einigen Tagen kennengelernt haben, beschreiben wir in diesem Blockbeitrag schwerpunktmäßig unsere Erfahrungen mit der finnischen Sauna.

Unser nächstes Reiseziel war die Gemeinde Kustavi, zu der rund 2000 Schäreninseln gehören. Der Ort liegt zwar nur rund 23 km Luftlinie von unserem bisherigen Aufenthaltsort entfernt, wir mussten jedoch einen Bogen von über 60 km fahren, um diesen südwestlichen Bereich der Schären zu erreichen. Von Kustavi aus gibt es Brücken und Fährverbindungen zu benachbarten Inselgruppen und wir erhoffen uns, in dieser Gegend einige interessante Fahrradausflüge unternehmen zu können.

In den vergangenen Wochen haben wir an unseren Zielorten oft nur kurze Stopps von ein oder zwei Übernachtungen eingelegt: Weil dieser Reiserhythmus auf Dauer doch recht anstrengend ist, werden wir in Kustavi mindestens vier Tage verbringen.

Wir übernachten in einer großen Ferienanlage, auf der Halbinsel Lootholma, die auch über Plätze für Camper verfügt. Der Begriff Ferienanlage hört sich für viele bestimmt schrecklich an, doch hier sind Jurten und architektonische hochwertige Ferienhütten am Strand und im Wald einer Landzunge verteilt.

Clamping Jurten auf Lootholma

Noch nie konnten wir auf dieser Reise so viel Luxus genießen. Es gibt eine große Sommerküche, Waschmaschine und Trockner stehen ebenfalls zur freien Verfügung. Natürlich sind auch Grillplätze mit Feuerholz vorhanden und man kann zwei Strandbereiche aufsuchen.

Sommerküche

Obwohl die Stellplatzgebühr sehr günstig ist, können die Gäste morgens und abends kostenfrei eine herrliche Sauna-Anlage benutzen.

Die Sauna ist hier nach Geschlechtern getrennt. Kathrin hat sich von den Saunabesucherinnen erklären lassen, wie man die Sauna hier benutzt. Natürlich duscht man sich vor dem Saunagang erst einmal gründlich ab. Wahlweise kann man Badekleidung anziehen oder die Sauna nackt betreten. Eine Badetuch – wie bei uns üblich – wird nicht verwendet. In regelmäßigen Abständen wird mit einer Kelle schwungvoll Wasser über die heißen Steine des Saunaofens gegossen. Dadurch scheint sich die Temperatur in der Sauna schlagartig zu erhöhen und man beginnt zu schwitzen. Allerdings scheint in öffentlichen Saunen die Temperatur nicht so hoch zu sein, wie in Deutschland teils üblich. Auch führten die Finn*innen eher mehrere kurze Saunagänge durch, unterbrochen von einer kalten Dusche oder einem Sprung in die Ostsee, die aktuell nur 10 Grad Wassertemperatur aufweist. Zum Schluss wird in der Regel ein kühles Bier getrunken.

Für den Sprung in die Ostsee

Welchen Stellenwert die Sauna in Finnland besitzt, wurde uns auf unserer heutigen Fahrradtour bewusst. Man findet hier überall private und öffentliche Saunen: Am örtlichen Badestrand gab es eine Sauna, die den Besucher*innen mehrmals in der Woche zur Verfügung steht. Am Straßenrand fanden sich Hinweisschilder auf Saunen im Wald und selbst an einer sehr abseits gelegenen Schärenklippe fanden wir eine Sauna zur freien Benutzung.

Sauna an den Schären zur freien Benutzung

Es gibt Holz, das man selbst hacken kann, um die Sauna anzuheizen und auch ein Container mit Frischwasser stand zur Verfügung. Man wurde gebeten, für die Nutzung einen kleinen Betrag zu überweisen. Das Besucherbuch belegte, dass sich scheinbar alle Besucher an diese Regel hielten. Beeindruckend zu sehen, dass so ein solches, auf gegenseitigem Vertrauen basierendes Angebot, funktioniert.

Was wir sonst noch erlebt haben

Finnische Briefkästen

Beim Nachmittagskaffee machte uns ein Camping-Nachbar auf eine große Schlange aufmerksam, die sich unweit von unserem Bus in der Sonne räkelte. Es handelte sich um eine seltene und streng geschützte Wasserschlange, die dann im Vorzelt eines anderen Campinggastes verschwand. Uns wurde versichert, dass der Biss dieser Schlange nicht giftig sei.

Auf dem Weg in die Schären

31. Mai bis 3. Juni

Von Helsinki sind wir nach Salo weitergereist. Diesen Ort muss man nicht kennen und ich wüsste auch nicht, was man über ihn berichten könnte. Salo liegt am Ende eines Meeresarms, der sich weit in das Landesinnere erstreckt.

Fahrdamm und Brücke zur Insel Vuohensaari

Zu dem Ort gehört die kleine Insel Vuohensaari, auf der sich ein kommunaler Campingplatz, eine Freilichtbühne, ein Badestrand und ein Pavillon für Tanzveranstaltungen befindet. Tatsächlich trafen sich dort während unseres Aufenthalts die älteren Einwohner des Ortes zum finnischen Tango und das mittags um 12 Uhr. Wir waren begeistert.

Café auf dem Inselstellplatz

Wir haben an diesem Ort mal einen Gang heruntergeschaltet und nicht viel unternommen. Außer einer kleinen Fahrradtour, die wir jedoch wegen Windgeschwindigkeiten von etwa 50 km/h stark verkürzt haben. Stattdessen haben wir gegrillt, denn auch auf diesem Campingplatz gab es wie auf so vielen anderen einen Grillplatz und kostenfreies Brennholz.

Brennholz und Grillplatz sind auf den Plätzen Standard

Am 2. Juni sind wir in den südwestlichen Schärengarten Finnlands aufgebrochen und haben noch einen Zwischenstopp in der sehenswerten Stadt Turku eingelegt. Allerdings haben wir nicht sehr viel Zeit dort verbracht, weil es windig, kalt und regnerisch war und es deshalb nicht viel Spaß machte, durch die Stadt zu schlendern.

Marktplatz von Turku

Unser Tagesziel war die Schäreninsel Livonsaari, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Hier gibt es einen schön gelegenen Platz für Dauercamper, der jedoch auch von Durchreisenden genutzt werden kann.

Badestelle in Livonsaari

Ausgewählt haben wir diesen Ort, weil er an einem 250 km langen Fahrrad-Trail durch die Schären liegt. Dieser Rundweg führt über 12 Brücken und 50 km fährt man mit Inselfähren auf Wasserwegen. Leider können wir nicht den kompletten Rundweg befahren, denn wir müssen ja immer wieder zu unserem mobilen Zuhause zurückkehren, aber Teilstücke können wir in Angriff nehmen, falls der Wind nicht weiterhin so kräftig weht.

Kostenfreie Fähren verbinden die Schäreninseln

In den Schären

Helsinki

29. bis 31. Mai 2023

In unserer Vorstellung sollte es eine dieser glamourösen Fähren sein, mit großem Büfettangebot und Shops, die uns nach Finnland bringt.

Die Wirklichkeit sah leider anders aus. Gegen sechs Uhr morgens standen wir in einem tristen Frachthafen und unser Schiff war eine in die Jahre gekommene Cargo-Fähre für den LKW-Transport. Das Büfett war eher auf die Bedürfnisse von Fernfahrern ausgerichtet und der Shop bestand aus einem Tresen. Dort konnte man seine Wünsche nach zollfreien Alkoholika äußern. Diese Einkaufsmöglichkeit hatten wir nicht genutzt, was sich im Nachhinein als Fehler herausstellte. Denn zu diesem Zeitpunkt kannten wir die finnischen Preise für alkoholische Getränke noch nicht.

Überraschung Nummer zwei erlebten wir bei der Ankunft auf dem städtischen Campingplatz von Helsinki. An der Tür zur Rezeption hing ein Zettel mit der Information, dass alle Plätze ausgebucht wären. Damit hatten wir nun gar nicht gerechnet. Waren wir doch im Baltikum seit Wochen oft die einzigen Gäste auf den Plätzen. Da unser Bus recht klein ist und wir keinen Strom benötigen, erlaubte uns die nette Frau an der Rezeption auf der Zeltwiese zu stehen. Das war sogar ein Glücksfall, denn dieser Platz war viel schöner, als die vielen engen Wohnmobilplätze.

Hauptbahnhof von Helsinki mit Ukraine-Flagge

In Helsinki taten wir das, was wir häufig in Großstädten praktizieren. Wir besorgten uns an der nächsten Metrostation eine 48 Stunden Fahrkarte, um kreuz und quer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt zu fahren. Dabei lassen wir uns häufig planlos treiben und entdecken oft spannende Orte und Stadtviertel. Auch einige Schiffe kann man in Helsinki mit der Tageskarte nutzen. So haben wir einen Ausflug zur Insel Suomenlinna unternommen, die früher als Seefestung genutzt wurde und heute überwiegend als touristisches Ausflugsziel dient.

Der Reiz der Stadt Helsinki besteht darin, dass man immer wieder auf Wasser oder Häfen trifft. Ansonsten wirkt die Stadt sehr zweckmäßig. Es gibt große Einkaufsboulevards in der Innenstadt und an den Stadträndern breiten sich die modernen Wohnquartiere aus.

Im Bahnhofsquartier befinden sich einige architektonische Highlights: Das Kunstmuseum Kiasma (Architekt: Steven Holl) und die Bibliothek (geplant von ALA Architects).

Neues Bibliotheksgebäude Helsinki

Letztere hat uns besonders begeistert, denn hier wird das Thema Bibliothek völlig neu interpretiert. Überall gibt es Rückzugsorte zum Lesen, zum Lernen und zum Kaffeetrinken. Es gibt viele Werkstattbereiche: Man kann großformatige Drucke anfertigen, Lasercutter und 3D Drucker benutzen, nähen usw. Die Bibliothek ist somit auch ein moderner Makerspace mit professioneller Anleitung und ein Treffpunkt, besonders für auch für junge Familien, Kinder und Jugendliche.

Spannend war auch der Besuch des finnischen Designmuseums. Ein abendlicher Besuch beim Werksverkauf von ittala, der sich in der ehemaligen Arabia Porzellanfabrik befindet, war leider vergebens: Das Geschäft war leider bereits geschlossen. Nach der Porzellanfabrik Arabia ist ein ganzer Stadtteil benannt und hier ist zwischenzeitlich ein Viertel für Künstler und Kreative entstanden.

Finnisches Designmuseum
Stadtteil Arabia

Meer, Moor, Museum

25. bis 28.05.2023

Unsere letzten Tage in Estland haben wir im Lahemaa Nationalpark verbracht. Der Park liegt eine knappe Autostunde von Tallinn entfernt und besitzt eine große landschaftliche Vielfalt. Es gibt dichte Wälder, Moore und wunderschöne Buchten am Meer.

Moor im Lahemaa Nationalpark
Wälder in unglaublichem Grün

Eine Besonderheit des Naturschutzgebiets sind die riesigen Findlinge, die in den Wäldern und an der Küste liegen. Die Größten besitzen einen Umfang von mehr als zwanzig Metern.

Riesiger Findling im Nationalpark Lahemaa

In der Nähe der Kleinstadt Loksa waren wir auf einem kleinen Campingplatz, der direkt am Meer liegt, wieder fast die einzigen Gäste. Schade eigentlich, denn die Sanitäranlagen und die Küche sind nagelneu und es gibt ein kleines Café. Jeden Tag backt die Inhaberin Berge von frischen Kuchen. Man fragt sich allerdings, wer diese ganzen Backwaren essen soll.

Kunstmuseum in Viinistu

Auf einer Fahrradtour haben wir in dem Ort Viinistu einen Stopp eingelegt und das Kunstmuseum des Sammlers Jaan Manitski besucht. Er war der Manager der Gruppe Abba und nachdem Estland unabhängig wurde, wurde er dort Außenminister. Durch seinen ersten Job muss er zu sehr viel Geld gekommen sein. Seine Kunstsammlung umfasst mittlerweile über 1000 Gemälde und Objekte, vorwiegend estnischer Künstler. In Viinistu hat er eine alte Fischfabrik zum Kunstmuseum umfunktioniert. Die Größe des Museums und die Qualität der Sammlung an diesem sehr abgelegenen Ort überrascht.

Passend zur Reise: 100 Suitcases von Marko Mäetamm und Kaido Ole

Unsere letzte Nacht in Estland verbringen wir auf einem Parkplatz am Jägala Wasserfall, unweit vom Fährhafen. Wir müssen früh raus, denn das Boarding endet um sechs Uhr Morgens. Bereits gegen 10 Uhr sollen wir Helsinki erreichen.

Jägala Wasserfall

Kleines Resümee

Nach sieben Wochen Reise geht unsere Zeit in Polen und den drei baltischen Ländern mit der Überfahrt nach Helsinki zu Ende. Wir haben so viel Zeit in und mit der Natur verbracht wie seit Jahren, vielleicht seit unserer Kindheit, nicht mehr.

Der Frühling ist mit uns gereist. Wir waren immer wieder von all dem Grün in den Wäldern und den Wiesen voller Löwenzahn und Schlüsselblumen, von Störchen, Kranichen und anderen besonderen Vögeln wie dem Bruchwasserläufer begeistert.
Wir haben unzählige Sonnenuntergänge und teils auch -aufgänge erlebt. Nun gehen wir auf Midsommer zu, viele Bäume blühen und duften, es wird bunter. Nachts wird es kaum noch dunkel: Eine neue Erfahrung für uns, von Helligkeit und Vögeln, wie dem Gartenrotschwanz, dem Kuckuck und dem Zilpzalp nachts ab drei geweckt zu werden.

Das Camera Obscura Projekt

Tallinn

25. bis 26. Mai 2023

Das Startbild dieses Blogbeitrags stammt von dem Maler Tiit Pääsuke. Es stammt aus dem Jahr 1974 und heißt, passend zu unserer Reise, »Camping in the woods by car«. Es hängt im Art Museum of Estonia (KuMu).

Das KuMu ist das größte und modernste Kunstmuseum der baltischen Staaten und wurde vom finnischen Architekten Pekka Vapaavuori entworfen.

Lange hat uns kein Kunstmuseum mehr so beeindruckt wie dieses. Das Besondere an den vielen Ausstellungsbereichen: Es werden fast ausschließlich estnische Künstler aller Stilepochen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart präsentiert.

Normalerweise werden in den großen westeuropäischen Museen für moderne Kunst die allseits bekannten und berühmten Künstler ausgestellt, hier jedoch kannten wir keinen einzigen Namen und hatten dennoch den Eindruck, dass die ausgestellten Werke eine große künstlerische Qualität aufweisen.

Interessant war es für uns, die Unterschiede der künstlerischen Entwicklung zu entdecken: In der Sowjetzeit unterschied sich die Kunst natürlich deutlich von der westlichen. Als Estlands Kunst 1990/91 vollständig neue Wege gehen konnte, änderte sich das künstlerische Spektrum schlagartig.

Tallinn Altstadt und neue Wohngebiete

Tallinn Rathausplatz

Häufig liest man, dass Riga die schönste der baltischen Hauptstädte Städte sei. Das würden wir nach dem Besuch von Tallinn anzweifeln. Diese Stadt besitzt eine besondere Ausstrahlung. In der Innenstadt gibt es neben den üblichen Kitsch- und Souvenirläden, ein großes Angebot an hochwertigem Kunsthandwerk und eine ausgeprägte Kreativ-Szene.

Kreativ-Szene am Telliskivi

Tallinn ist nicht »übersaniert«, obgleich Wandlungsprozesse zu beobachten sind, die auch in anderen Metropolen stattfinden. In Hafennähe entstehen die schicken Wohnviertel der Reichen und der Hipster. Diese Gegenden wirken leblos, steril und besitzen längst nicht Charme der langsam gewachsenen Stadtteile.

Neue Wohnviertel am Hafen

Man sollte Tallinn also jetzt besuchen, denn überall sieht man große Baustellen und das Bild der Stadt wird sich schnell verändern.

Holzhäuser in der Innenstadt

Estland hat eine Gesamtbevölkerung von rund 1,3 Millionen, davon lebt rund ein Drittel in Tallinn und natürlich wohnen längst nicht alle in den schnuckeligen Altstadtvierteln. Um die Stadt herum erstreckt sich ein riesiger Gürtel aus Plattenbausiedlungen.

Was sonst nach passierte

Auf dem Campingplatz in Tallinn stand neben unserem Bus ein winziges Zelt und ein Moped.

Die Nacht war wieder einmal sehr kalt und deshalb haben wir unsere Zeltnachbarin, die gerade draußen ihren Kaffee zubereitete, in den geheizten Bus eingeladen. Eng, aber interessant und gemütlich. Sie kam aus Neuseeland und hatte ihr Moped im Container nach London geschickt. Für sechs Monate reist sie damit durch Europa. Respekt!

Geschichte und Geschichten überall

22. bis 23. Mai 2023

In den vergangenen Tagen unserer Reise sind die Ausflüge mit den Fahrrädern etwas zu kurz gekommen, aber nun wollen wir die Insel wieder mit Muskelkraft erkunden und steuern wir die Nordspitze von Hiiumaa an. Wie an vielen Stellen der Insel soll es dort einen imposanten Leuchtturm geben.

Auf dem Weg dorthin kommen wir an unzähligen militärischen Hinterlassenschaften vorbei: Bunkeranlagen, Beobachtungstürme und Geschützstellungen. Auch ein kleines Militärmuseum gibt es hier. Alle Anlagen sind frei zugänglich und wer möchte kann die Bunker betreten und auf die Türme hinaufklettern. Allerdings sind die Treppen, die dort hinaufführen, oft in einem sehr bedenklichen Zustand.

Die Anlagen wurden ab 1939 errichtet, als Estland einen militärischen Pakt mit Russland schloss und auch nach Kriegsende wurden die Anlagen von Russland und Estland während des kalten Krieges genutzt.

Der Tahkuna Leuchtturm auf der Nordspitze ist wirklich sehenswert. Die Einzelteile des Turms wurden wurden in Paris hergestellt und 1875 vor Ort zusammengesetzt. Leider war der Turm an diesem Tag geschlossen. Gerne hätten wir den Blick von dort oben genossen. Das Leuchtfeuer dieses Turms ist noch in 33 km Entfernung zu sehen.

Besonders berührt hat uns an diesem Ort ein Mahnmahl für jene Kinder, die während des Untergangs der Fähre Estonia ums Leben kamen.

Die Estonia sank zwischen der finnischen Insel Utö und Hiiumaa in der Nacht des 28. September 1994, nachdem sie in einem Sturm aus bislang nicht vollständig geklärten Gründen ihre Bugklappe verlor. Das Fahrzeugdeck lief voll Wasser und die Fähre sank binnen weniger Minuten. Von den fast 1000 Menschen an Bord, konnten nur 137 gerettet werden, darunter kein einziges Kind.

Zwar befand sich eine andere Fähre in der Nähe des Unglücksortes, aber wegen der 10 Meter hohen Wellen, war es schwierig die wenigen Menschen, die es geschafft hatten das Schiff zu verlassen, aus der kalten See zu bergen.

Der Untergang der Estonia ist das schwerste Schiffsunglück, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Ostsee ereignet hat.

Auf unserer Rückfahrt kamen wir noch auf einer kleinen Version des Kreuzbergs vorbei, den wir ja in Litauen besucht hatten. Hier auf Hiiumaa werden die Kreuze seit 1781 aufgestellt, als etwa 1000 freie schwedische Bauern auf Befehl der der Zarin Katarina II, die Insel zu Beginn des Winters verlassen mussten und in der Ukraine angesiedelt wurden.

Heute soll es Glück bringen, an dieser Stelle ein Kreuz aus Naturmaterialien aufzustellen.

Nach unserer Rückkehr zu unserem Stellplatz wartete wieder die Sauna auf uns und was fast noch besser war, auch die Waschmaschine.

Auch am nächsten Tag stand wieder eine Radtour zur Besichtigungen von Leuchttürmen auf dem Programm.

Irgendwie haben hier alle Leuchttürme eine interessante Geschichte. Der Leuchturm von Kapo ist der drittälteste Leuchtturm der Welt. Mit dem Bau wurde auf Wunsch der Hanse im Jahre 1514 begonnen und die Fertigstellung erfolgte im Jahr 1531. Das Feuer, welches man auf dem pyramidenförmigen Bauwerk entfachte, war 26 Seemeilen weit sichtbar. 1649 wurde der Turm aufgesetzt, um die Sichtbarkeit des Leuchtfeuers noch zu erhöhen. Seither wurde der Turm baulich kaum verändert.

Der Leuchturm Kapo auf der Insel Hiiumaa

An unserem letzten Tag auf der Insel Hiiumaa kamen wir an einer Wollmanufaktur vorbei, in der auf uralten, musealen Maschinen die Wolle von den Inselschafen zu Garn und anschließend zu wunderschönen Pulvern, Jacken, Mützen etc. verarbeitet wird. Leider werden wir immer wieder vor dem Problem stehen, dass alle Schränke und Fächer im Bulli vollständig vollgestopft sind und wir von den schönen Sachen, die wir unterwegs finden, kaum etwas mitnehmen können. Aber für ein Paar Hüttenschuhe war noch Platz.

Die Wollmanufaktur HiiuVill

Was sonst noch geschah

Bei schönem Wetter haben wir zum ersten Mal in diesem Jahr in der Ostsee gebadet. Dannach haben wir auf Google die Wassertemperatur recherchiert: Es waren 8 bis 10 Grad. Hätten wir das vorher gewusst, wären wir vermutlich nicht hineingegangen.

Und dann blieb noch etwas Zeit für Aufnahmen mit der Camera Obscura am Strand.

Unterwegs auf Schotterpisten

19. bis 21. Mai

Wir befinden uns nach wie vor auf der Insel Saaremaa und bewegen uns in Richtung der Naturschutzgebiete, die sich im Westen und Norden der Insel befinden.

Unterwegs befahren wir mit unserem Bus eine lange Schotterpiste, die vor der kleinen Insel Kärisilma endet. Von der Hauptinsel führt Wanderweg auf diese Insel, der stellenweise durch Wasserläufe unterbrochen wird. Uns war jedoch nicht klar, dass die Wassertiefe an einigen Stellen Brusttiefe erreicht. Offiziell ist der Wanderweg derzeit gesperrt und so haben wir auf das Experiment verzichtet, zu Fuß Kärisilma zu erreichen.

Die kommenden zwei Tage werden wir an den idyllischen Campsites des Naturschutzgebietes übernachten. Es gibt dort Feuerstellen, Holzbänke und meist überraschend saubere Plumpsklos. Wasser ist hingegen nicht vorhanden. Wir waschen uns Geschirr daher im Meer und müssen mit einer Katzenwäsche auskommen. Zum Baden ist das Wasser zu flach.

Abwasch in der Ostsee

Nach unserem Erlebnis mit der Schotterpiste am Vormittag, unternehmen wir am Nachmittag einen Ausflug mit unseren nun völlig verstaubten Fahrrädern. Auch diese Fahrt führt uns viele Kilometer über Schotterpisten der üblen Sorte. Die Wege gleichen an einigen Stellen geschotterten Bahnstrecken und sind an manchen Stellen nicht mit unseren Rädern befahrbar. Ziemlich frustriert und erledigt beenden wir diese Tour, die überdies durch recht eintöniges Gelände führte, vorzeitig. Belohnt werden wir jedoch mit einem wunderbaren Stellplatz direkt am Meer.

Am nächsten Tag sind wir schlauer: Wir vermeiden diesmal sowohl mit dem Bus als auch mit den Fahrrädern Schotterpisten. Überraschenderweise ist die kleine Küstenstraße bis zum Ende asphaltiert, auf der wir die etwa 20 Meter hohen Kliffs von Panga erreichen. Bis zum Ende des kalten Kriegs wurden sie vom russischen Militär als Beobachtungsposten genutzt. In einer weiter östlich gelegenen Bucht finden wir uns einen neuen Stellplatz.

Selbstportät auf den Klippen von Panga
Wasser wie in der Südsee

Auf einer Fahrradtour am Nachmittag entdeckten wir dann den Hafen Triigi, wo die Fähre zur Insel Hiiumaa startet und finden in der Nähe einen noch viel schöneren Stellplatz.

Wir treffen spontan zwei Entschlüsse: Der Bus wird umgeparkt und am nächsten Morgen wollten wir die Fähre nach Hiiumaa nehmen. Einen Besuch dieser Insel hatten wir bislang nicht geplant.

Die Fähre nach Hiiumaa

Am Abend wurde es nervig, weil wir online die Fähren nach Hiiumaa und Helsinki buchen wollten. Wer schon einmal Onlinetickets für Flüge gebucht hat, weiß, was ihn erwartet. Der Prozess bricht kurz vor Ende ab, die Bezahlung funktioniert nicht, die gewünschte Verbindung ist ausgebucht und eine andere zu teuer… Man kann Stunden mit diesem Prozedere verbringen. Manchmal kann man diese digitale Welt verfluchen.

Auf die kleine Fähre nach Hiiumaa passen maximal 30 PKW

Am Morgen des 21. Mai hatten wir eine entspannte Fahrt mit der Fähre zur Nachbarinsel. Nur noch schnell tanken, ein Stellplatz mit Dusche suchen und dann einen ruhigen Tag einlegen. Der Fehler war das Tanken. Auf Hiiumaa gibt es nur ein paar tausend Einwohner, aber dennoch sind einige Tankstellen über die Insel verteilt. Eine Tankstelle besteht hier aus einem großen Benzintank, einer Zapfsäule und einem Kartenleser, der nur estnisch versteht. Dort steckt man seine Visakarte ein, sieht irgendwelche estnischen Anweisungen, die man nicht versteht, und die Zapfsäule wird freigegeben. Wir hatten für 30,- Euro getankt und es nicht hinbekommen, dem Automaten eine Quittung zu entlocken. Einige Kilometer später der Schock: Eine Push-Nachricht der Bank über einen Betrag von 200,- €. Ein Kontakt zur Bank brachte dann jedoch die Erlösung. Es war nur der tatsächliche Tankbetrag abgebucht worden.

Tankstelle auf Hiiumaa

Ab da wurde dann alles gut. Wir fanden einen einfachen aber guten Platz, wo wir von dem netten finnischen Betreiber mit vielen Informationen versorgt wurden und sogleich das Angebot erhielten am Abend die Sauna zu besuchen und dies ohne jeglichen Aufpreis!

Am Abend entdeckten wir einen kleinen Hafen, der wie die Kulisse aus einem Aki Kaurismäki Film aussieht. Es fehlt nur noch die Handlung und zwei bis drei Schauspieler, die während des Films nur wenige Sätze sprechen.

Impressionen unterwegs

Besonders kunstvoll gestaltetes Plumpsklo
Besonders gemütliches Bushäuschen

Reif für die Inseln

17. und 18. Mai 2023

Auf dem Weg zum Fährhafen Virtsu, von wo aus wir auf die Insel Muhu übersetzen wollen, haben wir die Straßen oft für viele Kilometer ganz für uns alleine. Kein Fahrzeug kommt uns entgegen und keines fährt hinter uns.

Es ist die erste Überfahrt mit einer Fähre für unseren Bulli und sie hätte gerne länger dauern können. Die Einheimischen suchen zielstrebig die Kantine des Schiffes auf und auch wir gönnen uns während der halbstündigen Überfahrt eine kleine Mahlzeit.

Muhu ist eine kleines, der großen Schwesterinsel Saaremaa vorgelagertes Eiland. Die beiden Inseln sind durch einen Damm miteinander verbunden. Wir wollen Muhu jedoch nicht nur als Transitinsel nutzen und fahren in ein altes Fischerdorf, welches mittlerweile ein bewohntes Freilichtmuseum ist, dass das Leben einer Gemeinde in früheren Zeiten zeigt.

Auf der Insel Saaremaa steuern wir einen kleinen Jachthafen an, wo wir übernachten möchten. Dort stürmt es so stark, dass wir den Bus nur für wenige Minuten verlassen können. Auch im Innern des Busses spüren wir den Sturm deutlich, weil das Fahrzeug immer wieder deutlich schwankt.

Auch wenn es nicht so aussieht: Der Sturm war heftig

Am nächsten Morgen hat sich der Sturm gelegt und die Sonne strahlt wieder. Aber es ist weiterhin sehr frisch und eine Wolke von Mücken schwirrt um den Bus. Daher entscheiden wir uns drinnen zu Frühstücken.

An diesem Tag wollen wir die Inselhauptstadt Kuressare und den südlichen Teil der Insel erkunden.

Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem Meteoritenkrater vorbei, der rund 50 Meter Durchmesser hat und zehn Meter tief ist. Man nimmt an, dass der Meteorit 2 bis 8 Tonnen Gewicht hatte und vor mehr als 3000 Jahren einschlug.

Nach der Besichtigung von Kuressare, fahren wir immer dicht am Meer entlang zum Leuchtturm Sörve, der seit dem Mittelalter (zu dieser Zeit natürlich in anderer Bauform) am Ende der langgezogenen Südspitze den Seefahrern den Weg weist.

Auf dem Weg zu unserem nächsten Stellplatz fahren wir über Schotterpisten durch wunderschöne Naturschutzgebiete direkt am Meer entlang.

An den Straßen findet man immer wieder individuell gestaltete und eingerichtete Bushäuschen

Der Besitzer des Stellplatzes und seine Frau begrüßen uns sehr herzlich und meinen, dass dies die beste Zeit für eine Reise auf die Inseln sei, weil man die Insel und die Stellplätze fast für sich alleine hat.

Am Abend gehen wir am Meer entlang und finden eine ehemalige Funkstation, die vermutlich der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg diente. Die Deutschen hatten sich im Krieg für vier Jahre auf der Insel »eingenistet«.