Artic Circle

16. und 17. Juni 2023

Wir haben länger darüber diskutiert, ob wir am Polarkreis nach Schweden abbiegen, um direkt nach Kiruna zu fahren, oder ob wir noch einen Abstecher in den hohen Norden zum Pallas Yllästunturi National Park machen sollten. Immerhin eine zusätzliche Strecke von insgesamt 400 km. Wir haben uns für diesen Umweg entschieden und es war die richtige Entscheidung. Wir haben Landschaften und eine Vegetation kennengelernt, wie wir sie bislang nur von Bildern oder aus Filmen kannten.

Je nördlicher wir kamen, desto kleiner und zierlicher wurden die Kiefern und die Birkenstämme.

Die Vegitation verändert sich nördlich des Polarkreises merklich

Sind wir in Mittelfinnland lange Strecken durch sehr gleichförmige Wälder gefahren, wurde die Landschaft im hohen Norden Lapplands sehr viel abwechslungsreicher. Wir kamen durch Moore, und überquerten häufig Flüsse und Bäche, die in vollkommen natürlichen Lauf durch die Ebenen mäandern.

Entlang der Strecke gab es viele kleinere und größere Seen und im Nationalpark Pallas Yllästunturi begannen die Berge.

Im Hintergrund die Berge des Pallas Yllästunturi Nationalparks

Manche erreichen eine Höhe von fast 900 Metern. Die längste Zeit des Jahres liegt hier Schnee. Vor wenigen Wochen erst war die Schneeschmelze und auch jetzt waren noch Schneereste vorhanden. Wegen des rauen Klimas liegt die Baumgrenze sehr niedrig.

Rentiergatter im Pallas Yllästunturi Nationalpark

Auf einer Wanderung durch das Gebirge trafen wir die ersten Rentiere. Sie sind nicht scheu und wir konnten uns ihnen auf wenige Meter nähern.

Campingplätze gibt es in dieser Region nicht oder sie sind nur im Winter, der touristischen Hauptsaison, geöffnet. Dann kann man hier so jede denkbare Wintersportart ausüben oder mit Motor- oder Hundeschlitten die Region erkunden.

Weil es hier keine Campingplätze gibt ist »Katzenwäsche« in den klaren Gebirgsflüssen angesagt.

Am Tag darauf haben wir zwei kleinere Wanderungen in einem Gebiet des Nationalparks unternommen, das eine völlig andere Vegetation aufweist. Wir gingen entlang von Flüssen, an denen Unmengen von Sumpfdotterblumen blühten, durch Wälder mit einem grünen Teppich aus Beerensträuchern.

An den Ästen abgestorbener Bäume hingen schwarze, bartähnliche Flechten.

Wir kamen auch an einigen Heiligtümern der Urbevölkerung Lapplands, der Samen, vorbei:

Dem Felsen Seitaphta, einem Altar, auf dem Opfer dargebracht wurden, um für eine gute Jagt oder Glück beim Fischfang zu bitten. Auch der daneben liegende See war eine Kultstätte. Man glaubte, dass sich in der Tiefe, unter der grünen Oberfläche, eine »seivo« befände: die auf dem Kopf stehende Welt des Geisterreichs.

Der Felsen Seitaphta: Ein Opferaltar der Samen
Unter der Oberfläche befindet sich die auf dem Kopf stehende Welt des Geisterreichs

Für Besucher, welche es noch nicht gelernt haben, die schreckliche Penetranz unzähliger Stechmücken mit Gleichmut zu ertragen, sind diese Sumpf- und Feuchtgebiete jedoch ein sehr schwieriges Terrain.

Unsere Zeit in Finnland geht nun zu Ende. Wir wechseln die Flussseite und befinden uns in Schweden. Für die Bewohner beidseits des Flusses machte es übrigens nie einen Unterschied, auf welcher Flussseite sie leben. Sie sprechen bis heute einen ähnlichen Dialekt.

Lachsfischer

13. bis 15.06.2023

Von Jyväskyla sind wir in längeren Etappen auf der Europastraße 75 in Richtung Norden gefahren. Immer auf schnurgeraden Straßen, vorbei an endlose Birken- und Kiefernwälder und den unzähligen großen und kleinen finnischen Seen.

Drei Nächte haben wir an verschiedenen Gewässern verbracht und uns einmal ein Ruderboot ausgeliehen, denn eine Finnlandreise ohne mit dem Boot auf einem See gewesen zu sein, ist möglich, aber sinnlos, um ein Zitat von Loriot abzuwandeln.

In Oulu, der letzten größeren Stadt vor unserer Reise in den Norden Finnlands, sind wir wieder auf die Ostsee gestoßen und bis Tornio an der Küste entlanggefahren. Tornio ist der Grenzort zu Schweden und gleichzeitig das nördliche Ende der Ostsee. Der Grenzübergang zu Schweden wird nicht mehr durch einen Grenzposten markiert, sondern durch ein großes IKEA Einkaufszentrum.

Grenze zu Schweden in Tornio
Es gibt aber auch eine orthodoxe Kirche in Tornio…
… und »Lost Places«

In Tornio haben wir wieder einen unserer Haushaltstage eingelegt. Das bedeutet Wäsche waschen, Vorräte auffüllen und sich mit den berüchtigten Automaten-Tankstellen herumschlagen. Der Bus muss leider staubig bleiben, denn eine Waschbox haben wir nicht gefunden.

Am nächsten Tag wurde es spannender: Wir fuhren den Fluss Torneälven, der die Grenze zwischen Schweden und Finnland bildet, flussaufwärts in Richtung Norden. Aktuell scheinen die Lachse ihre Reise von der Ostsee zu den Laichgründen am Ende des Flusses angetreten zu haben und so konnten wir ein tolles Schauspiel beobachten.

Lachsfischer mit Kescher

An den Stromschnellen versuchen Fischer, die auf wackeligen Holzgestellen stehen, mit langen Keschern Lachse aus dem Wasser zu fischen.

Wann die Lachse aus der Ostsee kommen, wird übrigens mit fest installierten Unterwasserkameras beobachtet.

Das Wasser ist hier sehr wild. Es hat auf einer Länge von 3,5 km ein Gefälle von fast 14 Metern.

Noch vor drei Wochen gab es hier ein mächtiges Hochwasser. Als es Ende Mai warm wurde, schmolz der Schnee im Norden schlagartig und der Wasserspiegel stieg um drei Meter.

Am Nachmittag überquerten wir den Artic Circle. Dort muss man die obligatorischen Selfies machen und im Shop ein Souvenir kaufen, um an diese denkwürdige, aber ansonsten unspektakulären Überquerung des Polarkreises ein Andenken zu haben.

Übrigens spüren wir schon seit einigen Tagen die Auswirkungen der immer währenden Helligkeit. Der Biorhythmus gerät aus den Fugen und wir können »Nachts« kaum mehr durchschlafen.

Im Bereich dieses besonderen Breitengrads fanden wir einen kleinen skurrilen Campingplatz am Fluss, auf dem ausschließlich Angler Quartier bezogen haben.

Hinweis auf den Artic Circle am Campingplatz

Sie versuchen die Fische auf andere Art zu fangen und benutzen die langen Angelruten der Fliegenfischer.

Architektur Spezial

10. bis 12. Juni 2023

Von der Ostsee sind wir in östlicher Richtung nach Tampere abgebogen. Mit nahezu 250.000 Einwohnern ist sie die drittgrößte Stadt Finnlands und wird auch als das Manchester des Nordens bezeichnet. Die Stadt liegt zwischen zwei großen Seen, die durch eine gewaltigen Stromschnelle miteinander verbunden sind. Diese Stromschnelle wird seit dem Beginn des 20. Jahrhundert zur Energiegewinnung genutzt. In Tampere siedelten sich vor allem Textil- und Papierfabriken an.

Viele dieser alten Industriebauten befinden sich in der Innenstadt und wurden nach dem Ende des industriellen Zeitalters nicht abgerissen, sondern umgenutzt. Sie beherbergen heute Museen, Theater, Restaurants und Wohnungen.

In Tampere wurden viele Industriebauten erhalten und umgenutzt

Durch den Erhalt dieser Gebäude ist ein ganz besonderes Stadtbild entstanden. Wir waren erstaunt, wie großstädtisch Tampere wirkt. Gleichzeitig besitzt diese Stadt durch die beiden großen Seen einen fast maritimen Charakter. Es gibt einen großen Jachthafen und zwei kleinere Häfen für Ausflugsschiffe.

Zwei Bauwerke haben uns in Tampere besonders beeindruckt: Der Dom und die Kaleva Kirche. Der Dom wurde von Lars Sonk entworfen und zwischen 1902 und 1907 errichtet. Er gilt als Gesamtkunstwerk des Jugendstils.

Jugendstilornamente im Dom von Tampere

Tatsächlich haben wir noch nie eine Kirche in Jugendstilarchitektur gesehen, die derart im Detail gestaltet wurde. Jede Tür, jede Kirchenbank, jede Säule besitzt wunderschöne Jugendstilornamente, die von dem Architekten Vatlter Jung entworfen wurden

. Auch die Fresken, die Kanzel und die Glasfenster fügen sich in dieses Gestaltungskonzept ein.

Die Kirche der Gemeinde Kevela kann gegensätzlicher nicht sein: Sie wurde von Reima Pietilä entworfen und 1966 vollendet. Im Grundriss der Kirche ist ein altes christliches Symbol zu erkennen: der Fisch.

Blick zur Decke der Kevela Kirche

Der Kircheninnenraum bietet ein unvergleichliches Raumerlebnis. 18 schmale Fenster ragen vom Fußboden bis zur Decke und vermitteln ein Gefühl von Höhe, Weite und Offenheit. Die Farbe der Wände soll an ungebleichtes Leinen erinnern. Kirchenbänke, Orgel und Altar bestehen aus finnischem Kiefernholz.

So unterschiedlich beide Kirchen auch sind, sie waren für uns Orte der Ruhe und des Innehaltens und regen durch ihre vielen Symbole zum Nachdenken über Glaubensfragen an.

Alvar Aalto

Auf unserer Weiterfahrt in den Norden, legten wir einen Zwischenstopp in Jyväskylä ein, dem Pilgerort vieler an Architektur interessierten. In und um diese Stadt hat der Architekt zahlreiche Gebäude realisiert. Es gibt ein Alvar Aalto Museum und architektonische Rundgänge auf den Spuren des Architekten.

Besonders beeindruckend ist die Universität. Zwischen 1951 und 1971 wurden dort von dem Büro Aalto zahlreiche Neubauten realisiert. Es kommt vermutlich nur selten vor, dass ein Architekt die Architektur eines gesamten Campus für rund 30.000 Studierende so maßgeblich prägen kann.

Das Gesamtkonzept ist beeindruckend. Der Campus befindet sich innerhalb eines parkähnlichen Geländes, wo bereits einige ältere Universitätsgebäude vorhanden waren. Aalto benutzte für die Neubauten überwiegend gebrannte Ziegelsteine, also den gleichen Baustoff, der auch für die älteren Gebäude verwendet wurde. Dadurch scheinen die alten und die neuen Bauwerke optisch miteinander zu verschmelzen.

Alt- und Neubauten auf dem Campusgelände von Jyväskylä

Die Kirche von Petäjävesi

Kirche von Petäjäves

Auf unserer Strecke trafen wir auf die Holzkirche von Petäjävesi, die auf die UNESCO -Weltkulturerbe-Liste aufgenommen wurde. Sie stammt aus dem Jahr 1764 und wurde von Jaako Leppänen d. Ä. entworfen. Sie gilt landesweit als die schönste in Blockhaustechnik errichtete Kirche.

Wichtige Gadgets auf unserer Reise

Mückenschutz

Auf unserer Reise in den Norden werden Stechmücken unsere ständigen lästigen Begleiter. Den Innenraum des Busses müssen wir durch Moskitonetze an Fenstern und Türen schützen. Für den Aufenthalt im Freien benutzen wir ein Mückenspray für die Haut und ein Wirkstoff-Verdampfer von Thermacell. Dieses kleine Gerät wird auf eine Gasflasche aufgeschraubt und wirkt tatsächlich Wunder. Wurden wir ohne Einsatz dieses Verdampfers von zahlreichen Mücken attackiert, hatten wir nach dem Einschalten des Geräts plötzlich Ruhe.

Uusikaupunki

8. bis 9. Juni 2023

Unsere letzten Tage an der Ostsee führen uns nach Uusikaupunki, was »reich an Fisch« bedeutet. In Uusikaupunki befindet sich die einzige Autofabrik Finnlands, die aktuell für Mercedes-Benz produziert. Eine Besonderheit des Ortes sind die vielen Holzhäuser, welche das Bild der Innenstadt prägen.

Holzhäuser in Uusikaupunki
Altar der alten Kirche in Uusikaupunki

Etwas weiter nördlich, in Pyheranta, fanden wir einen kleinen und sehr originellen Campingplatz am Meer. Es gibt dort ein Café, in dem sich Besucher des Campingplatzes und Bewohner des Ortes zu Karaoke- und Bingo-Abenden treffen. Bei unserer Abreise wurde sogar einen Flohmarkt auf dem Gelände veranstaltet.

Der Campingplatz in Pyheranta liegt direkt an der Ostsee

Auch hier gibt es wieder eine Sauna mit atemberaubendem Meerblick, die jeden Abend von den Dauercampern organisiert wird. Die Sauna ist ein guter Ort, um ins Gespräch mit den Finnen zu kommen.

Sauna mit Meerblick

Unsere Campingerfahrung in Finnland ist bisher durchweg positiv. Die Stellplätze sind kaum teurer als im Baltikum, bieten jedoch viel mehr Ausstattung. Immer ist eine voll ausgestattete Küche vorhanden, sodass man bei Bedarf auch aufwändiger kochen kann. Es gib immer Grillplätze und meist kostenfreies Brennholz. Ein Stellplatz ohne Sauna ist hier nicht denkbar.

Frühstück am Meer

Campingmobile, die frei stehen, haben wir selten gesehen. An den meisten schönen Stellen, beispielsweise den Parkplätzen an öffentlichen Stränden stehen Schilder, die das Übernachten verbieten. Die meisten Wege zum Meer und zu Seen, sind als privat gekennzeichnet: zwar dezenter als im Baltikum, aber dennoch klar verständlich. Vermutlich hat der Campingboom der vergangenen Jahre zu dieser Entwicklung geführt.

Europäischer Ostseeradweg Nr. 10

Seit Klaipeda in Litauen sind wir schon häufiger Teilstücke dieses Weges mit den Rädern gefahren. Auch auf unserer Reiseroute mit dem Bus hat uns dieser Weg immer wieder begleitet.

Der Radweg führt überwiegend auf öffentlichen Straßen rund um die Ostsee und seine gesamte Strecke beträgt fast 8000 km. Immer wieder trifft man auf Radfahrer mit Gepäck, die auf diesem Radweg unterwegs sind.

Am Ostseeradweg Nr. 10

In Finnland ist das Radfahren ungleich einfacher als in den baltischen Ländern, weil sich die Straßen in einem sehr viel besseren Zustand befinden. Allerdings gibt es auf dem Land kaum Fahrradwege. Dies ist auch nicht notwendig, weil die Nebenstrecken nur wenig befahren sind und die dort erlaubten Geschwindigkeiten bei 60 bis 80 km/h liegen.

Wer glaubt, dass es an der Ostsee kaum Steigungen gibt, irrt gewaltig. Auf den rund 1000 km, die wir bislang mit unseren Klappfahrrädern gefahren sind, mussten wir rund 5000 Höhenmeter bewältigen.

Was sonst noch passierte

Übernachtungs- und Grillplatz an einem Wanderweg

Inselhopping

5. bis 7. Juni 2023

Der Ort Kustavi ist der ideale Ausgangspunkt, um den südwestlichen Schärengarten Finnlands zu erkunden und dies haben wir in den vergangenen Tagen auch ausgiebig getan.

Blick von der Fähre in die Schären

Von Kustavi aus gibt es zwei Hauptrouten. Eine führt nach einer halbstündigen Überfahrt von Heponiemi auf eine Inselgruppe, deren Hauptinsel Iniö heißt. Von dort kann man die einstündige Überfahrt nach Nordlands antreten, was sich jedoch nur lohnt, wenn man mit dem Fahrrad den gesamten Archipelago Trail befahren möchte. Wir haben immer wieder Fahrradfahrer getroffen, die auf dieser Strecke unterwegs waren.

Karte des Archipelago Trails an einem Fähranleger

Die zweite Route, die ihren Ausgangspunkt in Kustavi hat, war das absolute Highlight unserer bisherigen Reise durch Finnland. Diese Route führt zu Åland Inseln. Man könnte auf dieser Route via Inselhopping bis nach Schweden reisen und von Mariehamn nach Stockholm übersetzen.

Die Fährgesellschaften möchten jedoch vermeiden, dass diese Verbindung als kostenlose Transitstrecke genutzt wird und erhebt auf einigen längeren Verbindungsstrecken hohe Gebühren für den Fahrzeugtransport. Als Fahrradfahrer reist man meist kostenfrei. Nur auf den längeren Fährstrecken bezahlt man eine moderate Transportgebühr.

Einziger Fahrgast auf einer Fähre

Wir sind von Kustavi auf die Insel Osnäs gefahren, haben die Insel durchradelt und sind von dort mit einer großen Fähre zur Insel Åva übergesetzt. Von dort verzweigt sich das Wegnetz und man erreicht die Nachbarinseln über Brücken, Fahrdämme oder mit den Seilfähren. Unser Aufenthalt auf den Ålandinseln war leider nicht von langer Dauer, weil wir mit der Nachmittags-Fähre zu unserem Ausgangspunkt zurückfahren mussten. Die Flora und Fauna dieser Inselwelt hat uns jedoch begeistert. Mit Worten lässt sich diese Landschaft kaum beschreiben. Vielleicht können die Fotos einen Eindruck vermitteln.

Gefragt haben wir uns allerdings, wie die Bewohner*innen dieser Inseln ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es gibt auf den kargen Felsböden nur wenige Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden können. Im Meer sieht man ab und an Fischfarmen und es gibt Kaffees, Restaurants und Ferienhäuser. Der Tourismus wird jedoch nur in den Sommermonaten einträglich sein.

Fischfarm auf den Åland-Inseln
Tankstelle für Schiffe und Autos auf der Insel Iniö

Auf den Fähren herrscht gegen Abend ein reger Betrieb. Vermutlich pendeln viele Inselbewohner zur Arbeit auf das Festland.

Rushhouer auf der Kustavi-Fähre

Was sonst noch passierte

Unser erster Elch.

Am Tag darauf haben wir echte gesehen aber vor Schreck nicht fotografiert.

Finnische Sauna

4. bis 5. Juni 2023

Nach dem finnischen Tango, den wir vor einigen Tagen kennengelernt haben, beschreiben wir in diesem Blockbeitrag schwerpunktmäßig unsere Erfahrungen mit der finnischen Sauna.

Unser nächstes Reiseziel war die Gemeinde Kustavi, zu der rund 2000 Schäreninseln gehören. Der Ort liegt zwar nur rund 23 km Luftlinie von unserem bisherigen Aufenthaltsort entfernt, wir mussten jedoch einen Bogen von über 60 km fahren, um diesen südwestlichen Bereich der Schären zu erreichen. Von Kustavi aus gibt es Brücken und Fährverbindungen zu benachbarten Inselgruppen und wir erhoffen uns, in dieser Gegend einige interessante Fahrradausflüge unternehmen zu können.

In den vergangenen Wochen haben wir an unseren Zielorten oft nur kurze Stopps von ein oder zwei Übernachtungen eingelegt: Weil dieser Reiserhythmus auf Dauer doch recht anstrengend ist, werden wir in Kustavi mindestens vier Tage verbringen.

Wir übernachten in einer großen Ferienanlage, auf der Halbinsel Lootholma, die auch über Plätze für Camper verfügt. Der Begriff Ferienanlage hört sich für viele bestimmt schrecklich an, doch hier sind Jurten und architektonische hochwertige Ferienhütten am Strand und im Wald einer Landzunge verteilt.

Clamping Jurten auf Lootholma

Noch nie konnten wir auf dieser Reise so viel Luxus genießen. Es gibt eine große Sommerküche, Waschmaschine und Trockner stehen ebenfalls zur freien Verfügung. Natürlich sind auch Grillplätze mit Feuerholz vorhanden und man kann zwei Strandbereiche aufsuchen.

Sommerküche

Obwohl die Stellplatzgebühr sehr günstig ist, können die Gäste morgens und abends kostenfrei eine herrliche Sauna-Anlage benutzen.

Die Sauna ist hier nach Geschlechtern getrennt. Kathrin hat sich von den Saunabesucherinnen erklären lassen, wie man die Sauna hier benutzt. Natürlich duscht man sich vor dem Saunagang erst einmal gründlich ab. Wahlweise kann man Badekleidung anziehen oder die Sauna nackt betreten. Eine Badetuch – wie bei uns üblich – wird nicht verwendet. In regelmäßigen Abständen wird mit einer Kelle schwungvoll Wasser über die heißen Steine des Saunaofens gegossen. Dadurch scheint sich die Temperatur in der Sauna schlagartig zu erhöhen und man beginnt zu schwitzen. Allerdings scheint in öffentlichen Saunen die Temperatur nicht so hoch zu sein, wie in Deutschland teils üblich. Auch führten die Finn*innen eher mehrere kurze Saunagänge durch, unterbrochen von einer kalten Dusche oder einem Sprung in die Ostsee, die aktuell nur 10 Grad Wassertemperatur aufweist. Zum Schluss wird in der Regel ein kühles Bier getrunken.

Für den Sprung in die Ostsee

Welchen Stellenwert die Sauna in Finnland besitzt, wurde uns auf unserer heutigen Fahrradtour bewusst. Man findet hier überall private und öffentliche Saunen: Am örtlichen Badestrand gab es eine Sauna, die den Besucher*innen mehrmals in der Woche zur Verfügung steht. Am Straßenrand fanden sich Hinweisschilder auf Saunen im Wald und selbst an einer sehr abseits gelegenen Schärenklippe fanden wir eine Sauna zur freien Benutzung.

Sauna an den Schären zur freien Benutzung

Es gibt Holz, das man selbst hacken kann, um die Sauna anzuheizen und auch ein Container mit Frischwasser stand zur Verfügung. Man wurde gebeten, für die Nutzung einen kleinen Betrag zu überweisen. Das Besucherbuch belegte, dass sich scheinbar alle Besucher an diese Regel hielten. Beeindruckend zu sehen, dass so ein solches, auf gegenseitigem Vertrauen basierendes Angebot, funktioniert.

Was wir sonst noch erlebt haben

Finnische Briefkästen

Beim Nachmittagskaffee machte uns ein Camping-Nachbar auf eine große Schlange aufmerksam, die sich unweit von unserem Bus in der Sonne räkelte. Es handelte sich um eine seltene und streng geschützte Wasserschlange, die dann im Vorzelt eines anderen Campinggastes verschwand. Uns wurde versichert, dass der Biss dieser Schlange nicht giftig sei.

Auf dem Weg in die Schären

31. Mai bis 3. Juni

Von Helsinki sind wir nach Salo weitergereist. Diesen Ort muss man nicht kennen und ich wüsste auch nicht, was man über ihn berichten könnte. Salo liegt am Ende eines Meeresarms, der sich weit in das Landesinnere erstreckt.

Fahrdamm und Brücke zur Insel Vuohensaari

Zu dem Ort gehört die kleine Insel Vuohensaari, auf der sich ein kommunaler Campingplatz, eine Freilichtbühne, ein Badestrand und ein Pavillon für Tanzveranstaltungen befindet. Tatsächlich trafen sich dort während unseres Aufenthalts die älteren Einwohner des Ortes zum finnischen Tango und das mittags um 12 Uhr. Wir waren begeistert.

Café auf dem Inselstellplatz

Wir haben an diesem Ort mal einen Gang heruntergeschaltet und nicht viel unternommen. Außer einer kleinen Fahrradtour, die wir jedoch wegen Windgeschwindigkeiten von etwa 50 km/h stark verkürzt haben. Stattdessen haben wir gegrillt, denn auch auf diesem Campingplatz gab es wie auf so vielen anderen einen Grillplatz und kostenfreies Brennholz.

Brennholz und Grillplatz sind auf den Plätzen Standard

Am 2. Juni sind wir in den südwestlichen Schärengarten Finnlands aufgebrochen und haben noch einen Zwischenstopp in der sehenswerten Stadt Turku eingelegt. Allerdings haben wir nicht sehr viel Zeit dort verbracht, weil es windig, kalt und regnerisch war und es deshalb nicht viel Spaß machte, durch die Stadt zu schlendern.

Marktplatz von Turku

Unser Tagesziel war die Schäreninsel Livonsaari, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Hier gibt es einen schön gelegenen Platz für Dauercamper, der jedoch auch von Durchreisenden genutzt werden kann.

Badestelle in Livonsaari

Ausgewählt haben wir diesen Ort, weil er an einem 250 km langen Fahrrad-Trail durch die Schären liegt. Dieser Rundweg führt über 12 Brücken und 50 km fährt man mit Inselfähren auf Wasserwegen. Leider können wir nicht den kompletten Rundweg befahren, denn wir müssen ja immer wieder zu unserem mobilen Zuhause zurückkehren, aber Teilstücke können wir in Angriff nehmen, falls der Wind nicht weiterhin so kräftig weht.

Kostenfreie Fähren verbinden die Schäreninseln

In den Schären

Helsinki

29. bis 31. Mai 2023

In unserer Vorstellung sollte es eine dieser glamourösen Fähren sein, mit großem Büfettangebot und Shops, die uns nach Finnland bringt.

Die Wirklichkeit sah leider anders aus. Gegen sechs Uhr morgens standen wir in einem tristen Frachthafen und unser Schiff war eine in die Jahre gekommene Cargo-Fähre für den LKW-Transport. Das Büfett war eher auf die Bedürfnisse von Fernfahrern ausgerichtet und der Shop bestand aus einem Tresen. Dort konnte man seine Wünsche nach zollfreien Alkoholika äußern. Diese Einkaufsmöglichkeit hatten wir nicht genutzt, was sich im Nachhinein als Fehler herausstellte. Denn zu diesem Zeitpunkt kannten wir die finnischen Preise für alkoholische Getränke noch nicht.

Überraschung Nummer zwei erlebten wir bei der Ankunft auf dem städtischen Campingplatz von Helsinki. An der Tür zur Rezeption hing ein Zettel mit der Information, dass alle Plätze ausgebucht wären. Damit hatten wir nun gar nicht gerechnet. Waren wir doch im Baltikum seit Wochen oft die einzigen Gäste auf den Plätzen. Da unser Bus recht klein ist und wir keinen Strom benötigen, erlaubte uns die nette Frau an der Rezeption auf der Zeltwiese zu stehen. Das war sogar ein Glücksfall, denn dieser Platz war viel schöner, als die vielen engen Wohnmobilplätze.

Hauptbahnhof von Helsinki mit Ukraine-Flagge

In Helsinki taten wir das, was wir häufig in Großstädten praktizieren. Wir besorgten uns an der nächsten Metrostation eine 48 Stunden Fahrkarte, um kreuz und quer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt zu fahren. Dabei lassen wir uns häufig planlos treiben und entdecken oft spannende Orte und Stadtviertel. Auch einige Schiffe kann man in Helsinki mit der Tageskarte nutzen. So haben wir einen Ausflug zur Insel Suomenlinna unternommen, die früher als Seefestung genutzt wurde und heute überwiegend als touristisches Ausflugsziel dient.

Der Reiz der Stadt Helsinki besteht darin, dass man immer wieder auf Wasser oder Häfen trifft. Ansonsten wirkt die Stadt sehr zweckmäßig. Es gibt große Einkaufsboulevards in der Innenstadt und an den Stadträndern breiten sich die modernen Wohnquartiere aus.

Im Bahnhofsquartier befinden sich einige architektonische Highlights: Das Kunstmuseum Kiasma (Architekt: Steven Holl) und die Bibliothek (geplant von ALA Architects).

Neues Bibliotheksgebäude Helsinki

Letztere hat uns besonders begeistert, denn hier wird das Thema Bibliothek völlig neu interpretiert. Überall gibt es Rückzugsorte zum Lesen, zum Lernen und zum Kaffeetrinken. Es gibt viele Werkstattbereiche: Man kann großformatige Drucke anfertigen, Lasercutter und 3D Drucker benutzen, nähen usw. Die Bibliothek ist somit auch ein moderner Makerspace mit professioneller Anleitung und ein Treffpunkt, besonders für auch für junge Familien, Kinder und Jugendliche.

Spannend war auch der Besuch des finnischen Designmuseums. Ein abendlicher Besuch beim Werksverkauf von ittala, der sich in der ehemaligen Arabia Porzellanfabrik befindet, war leider vergebens: Das Geschäft war leider bereits geschlossen. Nach der Porzellanfabrik Arabia ist ein ganzer Stadtteil benannt und hier ist zwischenzeitlich ein Viertel für Künstler und Kreative entstanden.

Finnisches Designmuseum
Stadtteil Arabia