Das Beste zum Schluss

15. bis 25 Februar 2024

Die letzten Tage unserer Reise verbringen wir am Gardasee. Am südwestlichen Ufer in Manerba del Garda soll nach unserer Recherche ein Campingplatz geöffnet haben. Rio Ferienglück heißt er, was ein Hinweis darauf ist, dass der Gardasee von vielen deutschen Urlaubern heimgesucht wird.

Zwar ist die Rezeption geschlossen und es finden allerlei Bauarbeiten zur Vorbereitung der neuen Saison statt, aber ein Zettel weist darauf hin, dass wir uns einen Platz aussuchen können. Es gibt nur wenige Gäste und so können wir uns in die begehrte erste Reihe stellen, mit Blick auf den See und die schneebedeckten Berge am Ostufer.

Tagsüber ist es so warm, dass wir endlich mal wieder draußen sitzen, kochen und essen können, was wir sehr genießen. Die Nächte allerdings sind bitterkalt.

Es kommt ein wenig Urlaubsfeeling auf: Wir machen Spaziergänge entlang des Seeufers und erkunden die Umgebung mit den Fahrrädern. So richtig ist es noch nicht in unser Bewusstsein vorgedrungen, dass unser Reisejahr nun bald zu Ende sein wird.

Hier am Gardasee fällt uns wieder einmal die unschöne Privatisierung schöner Plätze auf. Überall private Stege, private Seegrundstücke und eine Dichte von Überwachungskameras, wie wir sie auf unserer Reise selten gesehen haben. Wie an vielen anderen Orten auch, scheint einiges schiefgelaufen zu sein. Die attraktivsten Spots wurden privatisiert. Wie kann es sein, dass solche schönen Locations der Allgemeinheit vorenthalten werden können und dass alleine Geld darüber entscheidet, wer Zugang zu einem Ort erhält?

Nach drei Tagen fahren wir die fantastische Uferstraße entlang nach Torbole, ein Ort, der an der Nordspitze des Sees liegt.

Hier fühlen wir uns plötzlich so, als wären wir schlagartig in die Hauptsaison geraten. Der Stellplatz ist fast ausgebucht, die Strandpromenade voller Menschen und die wenigen offenen Cafés und Restaurants sind überfüllt.

Als wir am zweiten Tag unseres Aufenthalts zu einer Fahrradtour aufbrechen passiert etwas, was wir auf dieser Reise noch nie erlebt haben: Eine Panne. Ein Stein hat sich so in der Scheibenbremse verkantet, dass eine Weiterfahrt unmöglich ist. Da wir nachlässig geworden sind und kein Werkzeug dabei haben, muss ich (Jörg) zurückfahren und welches holen. Das Problem kann gelöst werden und die Fahrradtour wie geplant beendet werden.

Seit Tagen verfolgen wir auf unterschiedlichen Apps gebannt die Wettervorhersagen. Wir müssen auf dem Weg nach Deutschland über den Brenner und den Fernpass. Für die nächsten Tage wird Kälte und Schnee vorhergesagt und wir haben keine Winterreifen. Ständig ändern sich die Vorhersagen oder sie widersprechen sich. Nach der wohl zweihundertsten Kontrolle der Wetterapps entschließen wir uns einen Tag früher als ursprünglich gedacht die Rückreise anzutreten.

Diese Entscheidung war richtig, denn wir überqueren, ohne eine Schneeflocke gesehen zu haben, die Alpen und übernachten in Füssen. Leider empfängt uns Deutschland mit starkem Regen und Kälte.

Eigentlich wollten wir die verbleibenden 1 ½ Tage für Radtouren um den Forggensee und die Gegend um Füssen nutzen, aber aufgrund des Wetters fahren wir weiter und besuchen zunächst das Hymermuseum in Bad Waldsee. Thematisch der passende Abschluss unserer Reise.

Für unsere letzte Nacht im Bus finden wir einen Stellplatz an der Therme in Bad Saulgau verbunden mit einem wärmenden Bad.

In den kommenden Tagen wollen wir auf der Strecke noch Freunde und Familie besuchen.

Wundert euch bitte nicht, wenn ihr für einige Tage nichts mehr von uns hört.

Es lohnt sich jedoch ab und zu noch einen Blick in den Block zu werfen, denn wir werden in den kommenden Tagen und Wochen ein Resümee dieser langen Reise ziehen.

Cinque Terre

12. bis 14. Januar 2024

Für unsere Wanderung durch die Cinque Terre steuern wir einen Stellplatz in La Spezia an. Von dort aus wollen wir mit dem Zug die Dörfer anfahren. Der Stellplatz wird sich als einer der lautesten unserer ganzen Reise erweisen, denn er liegt zwischen mehreren stark befahrenen Straßen umgeben von Industrieanlagen. Auch nachts donnern LKW vorbei, die Container in den Hafen bringen oder von dort abholen. Aber der Platz ist als Startpunkt relativ günstig und wir verbringen ohnehin nicht viel Zeit dort, weil wir viel unterwegs sein werden.

Am Nachmittag nach unserer Ankunft in La Spezia machen wir mit den Rädern einen kurzen Ausflug in die Stadt und zum Bahnhof, auch um schon mal Fahrkarten für die Anfahrt am kommenden Tag zu besorgen. Danach entscheiden wir uns, mit dem Bus zum Bahnhof zu fahren, da man als Radfahrer selbst am relativ ruhigen Sonntag um sein Leben fürchten muss und die Fahrt in die Stadt nicht sonderlich reizvoll ist.

Die Cinque Terre ist ein 12 Kilometer langer Küstenstreifen mit Klippen, die mehrere hundert Meter hoch sind und 5 Taleinschnitten, in denen jeweils ein Ort liegt. Sicherlich kennen viele die Bilder von den bunten Dörfern. Im Vorfeld haben wir gelesen, dass die Dörfer der Cinque Terre ein Besuchermagnet sind, selbst im Winter, und schon überlegt wurde, die Anzahl der täglichen Touristen zu begrenzen. Von Frühjahr bis Herbst sind ein Teil der Wanderwege kostenpflichtig.

Im Hafen von Vernazza

Am Bahnhof von La Spezia treffen wir am nächsten Morgen auf unzählige Touristen, ein Großteil aus Japan und China. Schon die Fahrt im vollbesetzten Zug ist ein Erlebnis. Die Bahnstrecke von La Spezia führt fast ausschließlich durch Tunnel, die direkt am Meer entlang führen. Ab und an verlässt der Zug für einen kurzen Moment den Tunnel und man kann einen Blick aufs tosende Meer erhaschen. Dieser Moment ist verbunden mit einem kollektiven Begeisterungsschrei der meisten Mitfahrer. Bevor alle ihre Handys gezückt haben, verschwindet der Zug wieder im Dunklen. Nur an den Bahnhöfen der einzelnen Orte bleibt Zeit für einen längeren Blick auf das Meer und die umliegenden Berge.

Wir fahren zunächst in den Ort Vernazza, um nach der Ortsbesichtigung und kurzer steiler Wanderung feststellen zu müssen, dass der Weg zu den beiden Nachbarorten gesperrt ist. Jedes Jahr müssen Teile des Wanderwegs neu gebaut oder ausgebessert werden, das betrifft besonders die Wege, die am Fuße der Hügel entlang führen.

So entschließen wir uns kurzerhand wieder, zurück ins nächste Dorf zu fahren und von dort unsere Wanderung in die drei östlich gelegenen Orte zu starten. Auch hier sind die unteren Wege wieder gesperrt, sodass wir die Alternativwege hoch über die Klippen nehmen. Über Pfade und Hunderte von sehr hohen Treppenstufen geht der Weg äußerst steil bergauf.

Auf etwa 350 Metern Höhe verläuft die Route parallel zum Hang. Die Bauern, die gleichzeitig auch Baumeister und Architekten sein müssen, haben eine wunderschöne Kulturlandschaft geschaffen. Die Hänge wurden mithilfe unzähliger Steinmauern terrassiert und auf den winzigen Flächen werden vornehmlich Wein und Oliven angebaut.

Von hier oben hat man einen unglaublichen Blick auf das Meer, die Täler und die Ortschaften, deren Häuser an den steilen Felsen kleben.

Corniglia

Als wir in Corniglia ankommen, ist es früher Nachmittag und wir entscheiden uns dafür, die nächste Etappe nach Manarola dranzuhängen. Dieser Weg ist jedoch noch steiler und anstrengender als die vorhergehende Etappe. Unterwegs geht uns buchstäblich die Puste aus und das Erklimmen der hohen Stufen geht mächtig in die Knie.

Auch auf dieser Etappe wird die Mühe wieder durch unvergleichliche Ausblicke belohnt. Man muss jedoch schwindelfrei sein, wenn man dieses Teilstück gehen möchte, da der Weg an einigen Stellen sehr nahe am Abgrund entlang führt.

Wir treffen überraschenderweise nur wenige Wanderer. Die meisten Mitreisenden scheinen an diesem Tag lediglich die einzelnen Dörfer mit dem Zug anzufahren, um nach einer kurzen Besichtigung wieder in den Zug zu steigen, um zum nächsten Ort zu fahren.

Am darauffolgenden Tag fahren wir mit dem Zug nach Levanto, um ein weiteres Teilstück zu gehen, welches nach Monterosso führt. Auch hier geht der Weg zunächst wieder steil nach oben, und führt dann jedoch, anders als am Vortag, lange Zeit durch dichte Wälder.

Kunst am Rande des Wegs

Wir spüren deutlich die Anstrengungen des Vortags in den Beinen. Insgesamt haben wir auf den drei Etappen mehr als 1000 Höhenmeter bergauf und bergab zu bewältigen.

In Monterosso sitzen wir bei frühlingshaften Temperaturen am Meer. Einige Badegäste sonnen sich bereits am Strand oder wagen sich sogar ins Wasser.

Der Hafen von Monterosso

Für uns waren auch diese Wanderungen an der Küste ein besonderes Erlebnis. In der Hochsaison ist es jedoch vermutlich kein Vergnügen im Pulk von tausenden Touristen diese Wege zu gehen. Was dann los ist, kann man sich kaum vorstellen, aber Schilder mit Flip Flop Verbot und einer Strafandrohungen bis zu 2500 Euro lassen erahnen, was einen erwarten könnte.

In den Carrara Steinbrüchen

11. Februar 2024

Auf dem Weg nach La Spezia kommen wir an Carrara vorbei und beschließen spontan, einen Abstecher zu den berühmten Marmor-Steinbrüchen zu machen. Von weitem sieht man schon die weißen Abbaugebiete an den Hängen der Berge.

Bereits die Römer bauten ab ca. 200 v. Chr. hier Marmor für ihre Statuen ab. Danach war es für einige Zeit ruhig in den Steinbrüchen. Etwa um das Jahr 1000 wurde der Ort Caraira, das heutige Carrara, gegründet. Für den Bau einer Pfarrei hat man die Steinbrüche um das Jahr 1250 reaktiviert. Im 19. Jahrhundert wurde Carrara in Italien zum Zentrum der Steinbearbeitung. 10.000 Arbeiter waren in den Steinbrüchen beschäftigt und der Abbau wurde zunehmend industrialisiert.

Im Zweiten Weltkrieg kämpfte die Wehrmacht in der Gegend rund um Carrara gegen die Partisanen und beging in den umliegenden Orten fürchterliche Massaker, denen mehrere hundert Menschen zum Opfer fielen. Die Steinbrucharbeiter, die sich vielfach der Bewegung der Anarchisten zugehörig fühlten, leisteten erbitterten Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Während der Kämpfe wurden die Einrichtungen in den Steinbrüchen nahezu vollständig zerstört.

Heute muss sich der Marmor-Abbau gegen die Konkurrenz aus China, Indien und Brasilien behaupten. In der Kritik stehen aktuell die Arbeitsbedingungen in den Steinbrüchen, da in den vergangenen 10 Jahren acht Arbeiter bei Arbeitsunfällen getötet wurden.

Wir versuchten zu recherchieren, ob man im Winter die Steinbrüche besichtigen kann. Es werden ganzjährig Touren im Geländewagen durch die Abbaugebiete angeboten, doch als wir den Ausgangspunkt erreichen, der uns auf Google-Maps angezeigt wird, finden wir nur eine verschlossene Baracke und einen davor geparkten Landrover.

Es ist auch ein gänzlich ungeeigneter Termin für eine Besichtigungstour, denn es regnet schon seit drei Tagen in Strömen. Das Regenwasser fließt von den Hängen auf die Straßen und auf flachen Strecken bilden sich kleine Seen.

Zudem ist es Wochenende, daher stehen die Maschinen still und fast kein Mensch ist in dem Gebiet zu sehen. Es scheint nicht verboten zu sein, die Straßen zu benutzen, die durch die Steinbrüche führen. Also machen wir uns ohne Führer auf den Weg. Eine abenteuerliche Tour: Über einspurige Straßen und durch enge, unbeleuchtete Tunnel fahren wir durch das ausgedehnte Gelände. Der starke Regen und die Überflutungen verleihen der Szenerie eine unheimliche Atmosphäre.

Trotz der widrigen Wetterbedingungen war es absolut lohnenswert, diesen Abstecher zu machen und ganz individuell das Gelände zu erkunden.

Rundreise durch die Toskana

5. bis 10. Februar 2024

Eigentlich bestand unser Plan darin, in der ersten Märzwoche wieder in Erfurt einzutreffen, um genügend Zeit zu haben, uns wieder an den Alltag zu gewöhnen, einige Besuche zu machen und dem Bus und der Ausrüstung nach der langen Reise etwas Pflege zukommen zu lassen.

Bereits auf Sardinien hatte man uns prophezeit, dass uns in der Toskana nebliges und nasses Winterwetter erwarten würde und so ist es auch gekommen.

Von Livorno aus sind wir zunächst nach Volterra gefahren, um dann über Casole d’Elsa einen riesigen Campingplatz in den Bergen anzusteuern, wo wir zwei Tage als einzige Gäste verbrachten. Dort hatten wir ein komplettes Sanitärgebäude für uns alleine.

Volterra

Eine kombinierte Radtour/Wanderung bei Casciano hat uns ziemlich geschafft. Wir waren nicht darauf vorbereitet, dass die Toscana so gebirgig sein könnte.

Ein Ausflug in die Berge: Die Reste einer Erimitage mitten im Wald

Unsere nächste Etappe führte uns nach Siena. Ich möchte darauf verzichten, viel über die doch hinreichend bekannten Städte der Toskana zu schreiben.

Siena: Piazza del Campo

Die Toskana bietet im Winter nur wenig von bekannten Postkarten-Klischees. Die Landschaft hat die gleichen Winterfarben, wie wir sie aus Deutschland kennen. Es ist für uns sehr anstrengend, in dieser Jahreszeit zu reisen. An den Abenden müssen wir oft stundenlang recherchieren, bis wir einen geeigneten und geöffneten Stellplatz gefunden haben. Vor allem eine funktionierende Stromversorgung ist aktuell für uns ein unverzichtbarer Faktor geworden. Unser kleiner Heizlüfter läuft eigentlich ständig, weil der Bus bei abendlichen oder nächtlichen Außentemperaturen zwischen null und zehn Grad sonst schnell auskühlen würde.

Als wir bei Marco unseren nächsten Platz auf einem Bauernhof gefunden haben, fassen wir einen Entschluss: Wir wollen bald nach Erfurt zurückkehren. Vor allem die lange Dunkelheit macht uns zu schaffen. Es ist ja aktuell nur knapp zehn Stunden hell und teils sehr kalt und so verbringen wir sehr viel Zeit in dem kleinen Bus. Das lange Sitzen und der Bewegungsmangel tut unseren Körpern nicht gut und zerrt auch an den Nerven. Die letzten Monate waren eine wunderbare Erfahrung, aber wir spüren, dass auch unser Erlebnisspeicher mittlerweile überläuft. Wir besuchen diese unglaublich schönen toskanischen Städte, aber wir vermissen die Begeisterung, die wir zu Beginn der Reise bei solchen Besuchen gespürt haben. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es Zeit wird zurückzukehren.

Ein wunderbarer Platz: Der Agritourismo von Marco

Allerdings gibt es auch jetzt noch Erlebnisse, die einfach toll sind: der Besuch auf Marcos Bauernhof beispielsweise. Der junge Mann hat vor zwei Jahren damit begonnen, Camper zu beherbergen und kümmert sich mit Herz und Seele um seine Gäste. Er gibt Tipps für Ausflüge, erzählt von dem Leben in der Region und von seinen Plänen. Solche Reisebegegnungen sind oft wertvoller als der Besuch einer berühmten Stadt.

Tatsächlich hat uns die nächste berühmte Stadt, nämlich Florenz, nicht so sonderlich begeistert. Das fing schon an, als wir auf der Suche nach einem Parkplatz waren. Wir benutzen dazu eine App, in der ständig vor Parkplätzen in Citynähe gewarnt wurde. In den Kommentaren wird von aufgebrochenen Campern und gestohlenen Fahrrädern berichtet. Mit gemischten Gefühlen starteten wir daher unseren Ausflug in die Innenstadt.

Die berühmte Kuppel des Doms zu Florenz

Überall gibt es Warteschlangen: Am EIngang zum Dom und vor dem Geschäft mit den angeblich besten Pannini

Selbst jetzt im Winter ist die Stadt voll von Touristen aus aller Welt und es bilden sich lange Schlange vor angesagten Restaurants, dem Dom und anderen Sehenswürdigkeiten. Und wer die Krämerbrücke in Erfurt kennt, ist nicht so sehr beeindruckt von der berühmten Brücke Ponte Vecchio mit ihren Schmuckgeschäften.

PonteVecchio

Einen ganz anderen Eindruck hinterließ hingegen Lucca, obwohl es hier zwei Tage lang in Strömen regnete. Wir hatten einen Platz auf dem Hof einer Autowerkstatt gefunden. Sicherlich einer der ungewöhnlichsten Übernachtungsplätze auf unserer Reise, aber sehr praktisch, da fußläufig nur wenige Minuten von der historischen Altstadt entfernt, deren besonderes Merkmal darin besteht, von einer kilometerlangen Stadtmauer umgeben zu sein.

Im Hof einer Autowerkstatt: Unser Stellplatz in Lucca

Hier gefällt es uns, durch die Gassen zu gehen und hinter jeder Biegung etwas Neues zu entdecken. Man spürt, dass die Stadt in dieser Jahreszeit noch den Bewohner*innen gehört.

Lucca: Piazza dell’Anfiteatro

Man könnte hier durchaus noch einige Tage verbringen, wir möchten jedoch zum letzten Ziel unserer Reise aufbrechen und wollen versuchen in den Cinque Terre noch einige Tage zu wandern.

Von Olbia nach Livorno

2. bis 4. Februar 2024

Unsere Fähre nach Livorno startet am Vormittag und soll abends um acht Uhr in Italien ankommen. Wir buchen auf dieser Fahrt zwei Ruhesessel, um einen festen Platz an Bord zu haben, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass frei verfügbare Plätze auf manchen Überfahrten begrenzt sind.

Auch diesmal sollen wir 2 Stunden vor Abfahrt am Hafen sein, so machen wir uns frühmorgens auf den Weg. Die erste Überraschung ist, dass unser Bus im Hafen von der Polizei kontrolliert wird, obwohl wir ja innerhalb von Italien unterwegs sind. Wir müssen in ein spezielles Zelt fahren, wo ein Gerät zum Durchleuchten des Gepäcks steht. Jörg muss aussteigen, die Türen öffnen, der Bus wird von unten kontrolliert und überall ein kurzer Blick hineingeworfen. Zum Glück muss die Heckklappe nicht geöffnet werden, so dass die Fahrräder dran bleiben können.
In der Schlange zum Boarding sind wir die zweiten, insgesamt werden sich auch in den nächsten zwei Stunden die Reihen kaum füllen. Auch LKW fahren nicht auf die Fähre, dafür werden diesmal Unmengen von Auflegern und Anhängern in einem atemberaubenden Tempo mit speziellen Fahrzeugen auf die Fähre gefahren.

Nachdem wir das offene Meer erreichen verläßt der Lotse das Schiff.

Auf der Fähre selbst ist alles noch viel ruhiger als auf unserer letzten Fahrt von Barcelona nach Porto Torres. Fast alles ist geschlossen, wir haben jedoch den Eindruck es gibt trotzdem mehr Personal als Passagiere. Es herrscht fast eine familiäre Atmosphäre. Die Buchung der Ruhesessel war also überflüssig, aber wir haben dadurch eine schöne Abwechslung. An Board befindet sich nämlich ein sardischer Männerchor, der pünktlich zur Siesta die erste Chorprobe startet, später folgt eine weitere. Von Ruhe keine Spur, mindestens 10 Männern reden lautstark immer gleichzeitig, aber singen können sie.

Ansonsten ist die Fahrt auch deshalb recht kurzweilig, weil wir bei herrlichem Sonnenschein an Korsika, Elba und anderen kleinen Inseln vorbeifahren und es so immer etwas zu sehen gibt.

Abends überrascht uns die Fährgesellschaft sogar noch mit Lifemusik: In der Bar spielt ein Saxofonist.
Nach der Ankunft mit etwas Verspätung können wir als eine der ersten die Fähre verlassen und erreichen den Campingplatz, der direkt am Meer liegt, gerade noch rechtzeitig bevor er schließt. Glück gehabt …

Am nächsten Tag fahren wir mit den Fahrräder 10 Kilometer am Meer entlang in die Stadt Livorno, der drittgrößten Stadt der Toskana. Die Hafenstadt strahlt laut Reiseführer einen herben Charme aus, was wir bestätigen können, sie gefällt uns.

Die Promenade am Meer
Unerschrockene baden im Februar im Meer

Wir besuchen den Mercoado Centrale, wo es am Samstagmorgen in der Halle und besonders außen von Menschen wimmelt. Die Halle wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, ist 95 Meter lang. Wir haben im Laufe der Reise viele Märkte besucht, aber hier begeistert uns vor allem das besondere Gemüse, der Fisch und die Vielfalt an verschiedenen Broten.

Anschließend schlendern an den Kanälen durch die Altstadt, auch Venezia Nuova genannt, und fahren durch die Hafenanlagen.

Einen weiteren Ausflug machen wir zu einem der bekanntesten  Wallfahrtsorte der Toskana: Santuario di Montenero liegt auf knapp 200 Meter Höh TVe auf einem Hügel bei Livorno und ist mit einer Standseilbahn zu erreichen.

Von außen wirkt die gesamte Klosteranlage eher schlicht, betritt man allerdings das Innere befindet man sich in einer anderen Welt.

Es gibt auch makabere Fotos von Unfallwagen und den überlebenden Fahrern. Einige Vitrinen sind vollgestopft mit Baby- und Brautkleidung. In einer Klosterapotheke werden allerlei Salben, Tinkturen und Liköre verkauft.

Die Wände sind gepflastert mit Amuletten, die von den Besucher*innen stammen. Wir vermuten, dass damit ein Dank für ein besonderes Ereignis ausgedrückt werden soll.

Drei Tage waren wir in Livorno und es kam uns so vor, als wären wir wieder in der Zivilisation. Nachdem wir auf Sardinien oft unter sehr improvisierten Bedingungen campierten, haben wir hier eine warme Dusche in einem geschlossenen und überdachten Bad sehr genossen.

Luxus auf unserem Stellplatz am Meer: Ein Kaffee bei Sonnenuntergang

Zwischen Mördern und Künstlern

28. Januar 2024

In Orgosolo, einem kleines Dorf im sardischen Bergland, lebte man lange Zeit hauptsächlich von der Schafzucht. Die Geschichte von Orgosolo erinnert stark an das kleine, unbeugsame Dorf aus den Asterix und Obelix Comics. Auch in diesem Ort hatte man schon immer auf die Macht der Herrschenden gepfiffen und das Gesetz in die eigenen Hände genommen. Dadurch erreicht das Orgosolo eine traurige Berühmtheit. Zeitweise zählte man im Durchschnitt sechs Mordopfer auf 4000 Einwohner: Jährlich wohlgemerkt.

In den Gassen von Orgosolo

Es gibt schauerliche Geschichten über die Selbstjustiz in diesem Ort. So hing Mitte des 20. Jahrhunderts eine Todesliste mit 36 Namen an der Kathedrale von Orgosolo und tatsächlich wurden binnen zweier Jahre 20 dieser Personen ermordet. Auch Touristen wurden nicht verschont. 1962 wurde ein britisches Paar ermordet und Entführungen und andere Gewalttaten waren ebenfalls an der Tagesordnung. Im Jahr 2000 schossen Unbekannte auf zwei Reisebusse, trotzdem kommen die Touristen weiterhin in Scharen in diesen Ort.

Die Fassade des Rathauses, die einige Spuren von Einschüssen aufweist

Doch es gibt auch andere, positive Geschichten über diesen Orgosolo. So scheiterte das italienische Militär am Widerstand der Dorfbewohner*innen. Im Jahr 1969 wurden die Hirten aufgefordert, ihre Tiere von den Weiden zu entfernen, da das Militär dort Schießübungen abhalten wollte. Die Hirten vermuteten jedoch, dass man ihr Weideland dauerhaft zu einem Truppenübungsplatz umwandeln wollte. Schon vor einigen Jahren hatte man dort mit dem Bau von Unterkünften begonnen, die von offizieller Seite als Feriensiedlungen deklariert wurden.

Dieses Wandbild thematisiert den Widerstand gegen das Militär

Um die Schießübungen zu verhindern, wurde kurzerhand eine Besetzung des Weidelands organisiert. Rund 3000 Männer, Frauen und Kinder zogen mit Autos und landwirtschaftlichen Fahrzeugen auf die Schafweiden und hinderten das Militär am Zugang zu dem Gelände. Einige Stunden lang verhandelte man und erreichte schließlich die Zusage, dass die Schießübung nur für begrenzte Zeit durchgeführt werde. Das Militär kam danach nicht wieder und die »Ferienanlage« steht bis heute leer.

Viele der Wandbilder thematisieren das tägliche Leben und die Traditionen in Orgosolo

Heute sind es vor allem die gruseligen Geschichten aus der Vergangenheit, aber auch die unglaublich fantastische Street-Art an den Wänden der Häuser, die Besucher nach Orgosolo locken. Fast jedes Haus in der Innenstadt ist mittlerweile bemalt.

Häufig behandeln die Murales (Wandmalereien) politische Themen

Meist sind die Murales von unglaublich guter Qualität

Das erste Wandgemälde entstand 1968 anlässlich des Besuchs einer Mailänder Theatergruppe. Später begannen Schüler Flugblätter an die Fassaden zu kleben. Die Themen waren der Vietnamkrieg, der Partisanenkampf während des Faschismus und lokale Ereignisse. Als der Kunstlehrer Francesco del Casin zusammen mit seinen Schülern begann politische Bilder direkt auf die Wände zu malen, begann eine Entwicklung, die wir heute im Ort nachvollziehen können. Immer mehr lokale und ausländische Künstler nutzten die Wände des Ortes für politische Botschaften.

Noch spannender wird es, wenn man die Geschichten hinter den Bildern kennt:

Der Bauer Luigi Podda wurde 1950 bei der Feldarbeit verhaftet. Es gab den Verdacht, dass er an bewaffneten Zusammenstößen mit Carabinieri beteiligt war. Obwohl es Zeugenaussagen gab, die aussagten, dass er nicht an der Tat beteiligt war, wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach 26 Jahren wurde er begnadigt und musste jedoch weitere 10 Jahre in Verbannung auf dem Festland leben. Quelle: Spiegel

Auch dieses Bild hat eine Geschichte:

Der 20-jährige Franco Serantini engagierte sich in der Bewegung der Anarchisten und hatte 1972 an einer Protestaktion in Pisa teilgenommen. Dort wurde er verhaftet und klagte beim Verhör über Unwohlsein. Seine Beschwerden wurden nicht ernst genommen. Am nächsten Tag fiel er ins Koma und starb. Der Gefängnisarzt wurde 1977 ermordet. Quelle Spiegel

Hunderte Wandmalereien zieren die Straßen von Orgosolo, sie erzählen von Bräuchen, Traditionen, Kultur und Widerstand der Einwohner der Barbagia. Die turbulenten Sechziger und Siebziger Jahren führten zur Entstehung der kollektiven Wandmalereien, die noch heute den Alltag der Bauern, die Machtkämpfe, soziopolitische Themen detailliert beschreiben, dazu gehören auch Frauen bei der Arbeit, reitende Männer, Hirten. Orgosolo ist eine zeitlose Attraktion, die man mindestens einmal im Leben gesehen haben sollte.

https://www.sardegnaturismo.it/de/die-stille-stimme-der-wandmalereien-von-orgosolo

Quellen:

https://www.spiegel.de/geschichte/orgosolo-auf-sardinien-killer-und-kuenstler-a-1111079.html

Manche Wandgemälde sind im Laufe der Jahre verblasst. Wegen ihrer Anziehungskraft auf die Touristen, beginnt man sie zu restaurieren.

Die Geschichte des kleinen Galerie-Bildes: Soll ich gehen oder nicht, scheint der Hirte den Schafschädel in seiner Hand zu fragen. 1978 sollten die Hirten die Herden in Tal treiben, damit die Flächen Zeit zur Regeneration hatten. Während dieser Zeit sollten sich die Hirten Flächen im Tal pachten, was sich manche nicht leisten konnten. „Hirten und Arbeiter vereint gegen Großgrundbesitzer und die Regierung der Bosse“, lautet die Losung auf der Fahne. Quelle Spiegel

Damit jeder weiß, wo er sich gerade befindet: Der Finger zeigt auf Orgosolo

Viele Wandgemälde behandeln auch aktuelle Themen, wie Flucht und Emigration

Von Auswanderern und Stellplätzen

24. bis 31. Januar 2024

Nach dem beeindruckenden Ausflug in die Hochebene setzen wir unsere Rundreise entlang der Küste Sardiniens fort und steuern einen Campingplatz ganz im Süden an der Costa del Sud an. Hier in der Nähe von Pula treffen wir zum ersten Mal andere Urlauber, die zumeist aus Deutschland angereist sind und haben seit langer Zeit mal wieder einen Platz direkt am Meer.

Ein Stellplatz im Winterschlaf: Fotografie mit der Camera Obscura

Die Küste in dieser Region Sardiniens ist nur dünn besiedelt, und wirbt mit schönen Sandstränden, die im Sommer gut gefüllt sein sollen. Auch wir lassen die Fahrräder stehen und spazieren am Strand entlang, wieder ist das Meer kristallklar und blau.

Eine besondere Attraktion in Pula sind die Überreste der antiken Stadt Nora mit ihren verschiedenen Bauwerken, wie beispielsweise einen Tempel, ein römisches Theater oder die Thermalbäder. Ursprünglich waren es die Phönizier, die diesen Ort mit seinen drei Buchten als idealen Ort entdeckten, um Tauschhandel mit der hiesigen Bevölkerung zu betreiben.

Wir verlassen den Süden nach 2 Tagen, ab jetzt geht es wieder Richtung Norden. Wir werden in den nächsten Tagen bis nach Olbia fahren, wo wir mit der Fähre nach Livorno übersetzen wollen. Unser nächstes Tagesziel ist Bari Sado an der Ostküste. Zunächst fahren wir durch ein Gebiet, das sehr von Landwirtschaft und Gemüseanbau geprägt ist. Später dann kilometerweit auf einer Schnellstrasse durch unzählige Tunnel durchs Gebirge. Hier gibt es kaum Orte, alles wirkt sehr karg und einsam. Auf dem Campingplatz, der wieder in Meeresnähe liegt, werden wir sehr herzlich mit einem Espresso empfangen. Der Besitzer erklärt uns, dass er sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit legt und die Einrichtungen meist aus recycelten Gegenständen besteht. Die Möbel an der Bar und der Abwaschplatz bestehen aus alten Paletten und in einem ausgemusterten Kühlschrank finden wir eine kleine Bibliothek.

Auch hier erfahren wir, dass der Klimawandel mittlerweile deutlich spürbar ist. Es ist aktuell eigentlich Regenzeit, nur ist bislang so gut wie kein Regen gefallen. Obwohl dies einer der wenigen offenen Plätze auf Sardinien ist, teilen wir ihn uns nur mit vier bis fünf weiteren Campern. Kein Wunder, dass derzeit auf der Insel nahezu alle touristischen Einrichtungen geschlossen haben. Wir legen zunächst einmal wieder einen Haushaltstag ein, Wäsche hat sich angehäuft, Bus und Fahrräder müssen gepflegt und gesäubert werden. Am nächsten Tag erkunden wir die Küste per Fahrrad.

Weiter geht es entlang der Ostküste, an der sich Buchten mit Sandstränden und Klippen abwechseln.

Entlang der Küste und vorbei an Weinreben und Hecken aus Kakteen

Unsere beiden nächsten Stopps führen uns wieder zu deutschen Auswandern. Ingrid lebt schon lange mit ihren Eseln, einem Pferd, drei Hunden und einer unbekannten Zahl an Katzen und Hühnern auf einem Grundstück im Nirgendwo. Es gibt keinen Strom und kein fließendes Wasser, aber ein Klo mit Blick in den Sternenhimmel, eine warme Dusche und eine Außenküche.

Die Esel und das Pferd sind sehr neugierig und wir können sie nur mit Mühe von einem Besuch im Bus abhalten.

Leider können wir nur eine Nacht bleiben, da der Solarstrom im Winter nur ausreicht, um Ingrids Kühlschrank zu betreiben und die Temperatur in den Nächten zurzeit um den Gefrierpunkt ist: Wir benötigen Strom für unsere Heizung. Auch Ingrid erzählt uns vom Klimawandel. Im vergangenen Sommer war es so heiß wie noch nie. Das Thermometer kletterte für einige Tage auf 48 Grad. Eine Temperatur, die man hier draußen ohne Klimaanlage nur schwer ertragen und überleben kann.

Unsere nächste Etappe führt uns zu Familie Morgenstern, die bereits vor 25 Jahren ausgewandert ist und auf Sardinien einen professionellen Reiterhof aufgebaut haben. Jetzt wollen sie einen Gang herunterschalten und haben die meisten Pferde verkauft. Über die App ParkForNight vermieten sie Stellplätze auf ihrem wunderschönen Hof. Es gibt hier auch einige Ferienwohnungen, die von Überwinterern genutzt werden.

Dies war der passende Ausgangspunkt, um Sardiniens Bergwelt zu erkunden. Gleich um die Ecke liegt der Monte Nieddu, der schwarze Berg. Es ist eine wilde Bergregion mit bizarren Felsformationen.

Von der Höhe hat man eine wunderbare Sicht auf die Küste und bei klarer Sicht sogar bis zur Insel Korsika. Wir sind ein Stück einem alten Köhler Steig gefolgt, wo im 19. Jahrhundert in Meilern Holzkohle produziert wurde.

Jetzt im Winter ist es sehr angenehm hier zu wandern. Im Sommer dürfte es in dieser Gegend viel zu heiß für körperliche Betätigungen sein.

Am Ende unserer Tour waren wir ganz schön geschafft, weil der Weg sehr beschwerlich war und wir schon länger keine Bergwanderung mehr unternommen hatten.

Wilde Pferde

21. bis 23. Januar 2024

Immer wieder sind wir auf dieser Reise unerwartet auf ganz besondere Landschaften gestoßen: Längere Zeit war dies nicht mehr der Fall, aber in diesem Blogbeitrag können wir wieder über ein solchesin besonderes Erlebnis berichten.

Unseren nächsten Stopp wollten wir in Oristano einlegen. Nachdem wir vergeblich einen Campingplatz angesteuert hatten, der eigentlich ganzjährig geöffnet sein sollte, fanden wir einen ganz neuen Stellplatz, den eine deutsche Familie aufgebaut hatte. Vor 1 ½ Jahren hatten sie die Zelte in Deutschland abgebrochen und mit ihren beiden Kindern einen Neuanfang auf Sardinien gewagt. Hier haben sie ein völlig verwildertes Grundstück erworben und dieses mit viel Mühe in einen herrlichen Garten und Wohnmobilstellplatz verwandelt. Wir waren sehr begeistert von diesem Stellplatz mit Familienanschluss.

Mit den Fahrrädern unternahmen wir am nächsten Tag einen Ausflug zum südlichsten Zipfel der Sines Halbinsel, einem schilfumsäumten Lagunengebiet, wo wir erneut eine Vielzahl von Vögeln beobachten konnten. Ganz im Süden liegt das Capo San Marco, wo auch die Überreste der antiken Stadt Tharros zu besichtigen sind.

Zwar war die Besichtigung an diesem Tag nicht möglich, aber allein für die weite Sicht über das schmale langgezogenen Cap mit hohen Klippen hat sich der Ausflug gelohnt.

Aber nun zu unserer besonderen landschaftlichen Entdeckung: Vor unserer Weiterfahrt in Richtung Süden, erhielten wir von der Familie den Tipp, einen Abstecher ins Landesinnere, zur Giara di Gesturi, zu unternehmen. Das ist eine Hochfläche aus Basaltgestein, die auf etwa 550 über dem Meeresspiegel liegt.

Die Hochebene Giara di Gesturi liegt auf ca. 550 m Höhe.

Die Anfahrt gestaltete sich nicht ganz einfach: Wegen Bauarbeiten war der Zufahrtsweg gesperrt und wir wurden auf eine schmale Schotterpiste geleitet, die einen Berghang entlang verlief. Irgendwann kam uns ein Einheimischer in einem Kleinwagen entgegen und weigerte sich zurückzusetzen. Also mussten wir mit dem Bus rückwärts eine Ausweichstelle ansteuern. Der Einheimische versuchte uns auf Italienisch zu erklären, dass wir mit unserem Wagen hier nicht weiterfahren könnten. Nach einigen Kurven war auch klar weshalb. Die Straße wand sich urplötzlich mit etwa 30 Prozent Steigung den Berg hinauf. Hier half nur umkehren und die Giara di Gesturi von einer anderen Richtung anzufahren.

Wir sind froh, dass wir diesen zweiten Versuch unternommen haben, denn auf der Hochfläche angekommen empfing uns eine Landschaft, wie wir sie noch nie gesehen haben. In den Wintermonaten kann das Wasser durch die undurchlässigen Basaltfelsen nicht versickern und es bilden sich viele flache Seen, die im Sommer wieder austrocknen.

Geprägt wird das Landschaftsbild von kleinwüchsigen Korkeichen und Macchia.

Die Besonderheit dieser rund 43 km² großen Fläche besteht jedoch darin, dass hier verwilderte Hausschweine und rund 600 frei lebende Pferde herumziehen. Die Pferde konnten wir sogar an einigen Orten beobachten. Es sind übrigens keine richtigen Wildpferde. Sie gehören den Bauern aus den umliegenden Ortschaften.

Im Winter werden sie in Pferchen aus Basaltsteinen zusammengetrieben. Dort entscheidet sich, welche Tiere im kommenden Jahr wieder auf der Hochebene grasen können und welche im Schlachthof enden. Pferdefleisch gilt auf Sardinien als besondere Delikatesse.

Das Licht, die Korkeichen, die hellen Basaltfelsen und natürlich die Pferde: All dies ergab ein so überwältigendes Naturerlebnis, wie wir es nur ganz selten auf dieser Reise sehen durften.

Entlang der Sardischen Westküste

18. bis 21. Januar 2024

Schon von Spanien aus haben wir uns auf die Suche nach einem ersten Stellplatz auf Sardinien gemacht und sind zum Glück fündig geworden. Ganz in Nordwesten der Insel auf dem Weg nach Stintino öffnet ein Stellplatz für uns auf Anfrage, der eigentlich im Winter geschlossen ist. Auf dem Weg dorthin gewinnen wir einen ersten Eindruck von der zweitgrößten Inseln im Mittelmeer. Uns erstaunt vor allem wie grün alles ist, es wirkt frühlingshaft.

Am Stellplatz werden wir freundlich von der Besitzerin will kommen geheißen, außer uns sind noch drei junge Männer auf dem Platz, die hier zeitweise leben. Die ersten Nächte sind kalt, die Toiletten und der Duschraum auch, aber es gibt eine Dusche mit warmen Wasser und Strom, sodass wir den Bus heizen können.

Unser Badezimmer

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Fahrrad nach Stintino, das auf einer Halbinsel ganz im Nordwesten der Insel liegt. Früher war es ein Fischerort mit zwei kleinen Häfen, heute ist es zumindest in der Hauptsaison ein sehr beliebter Ferienort, der mit Stränden wie in der Karibik wirbt.

Auch wenn keine Badesaison ist, das Wassertemperatur beträgt 14 Grad, sind wir erstaunt über das klare türkisblaue Wasser und die Strände aus weißem Sand oder kleinen weißen Kieseln.

Die Ankunft in Sardinien ist wie ein Déjà-vu, die Voraussetzungen sind ähnlich wie am Anfang unserer Reise. Auch vor zehn Monaten war es in den Nächten kalt und es war jeden Tag ein kleines Abenteuer, wo und ob wir einen geeigneten Übernachtungsplatz finden würden. Auf Sardinien wird das Reisen wieder abenteuerlicher und spannender.

Unsere weitere Reiseroute auf Sardinien richtet sich fortan nach möglichen Stellplätzen. Fast alle Campingplätze und Restaurants sind im Winter aus Mangel an Gästen geschlossen. Häufig sind es kleine landwirtschaftliche Betriebe, die jetzt noch Stellplätze anbieten. Für sie bedeutet es keinen zusätzlichen Aufwand, vereinzelte Gäste aufzunehmen. Unseren nächsten Platz finden wir in der Nähe von Bosa. Die Anfahrt ist steil und abenteuerlich und der Stellplatz bei einer deutschen Auswanderin ist wieder sehr einfach, nur eine Toilette und ein Außenwaschbecken mit kaltem Wasser.

Außendusche, Toilette, Abwaschbecken und ein Toller Blick in die Berge

Die Fahrt entlang der Westküste von Stintino nach Bosa ist herrlich. Völlig überrascht sind wir von der Landschaft. Hätte man uns vor unserer Ankunft Bilder der Sardischen Nordwestküste gezeigt, wir hätten eher auf Irland getippt. Jetzt im Winter ist es überall sehr grün auf den Hügeln am Meer.

Wir fahren teils im Landesinneren zwischen Bergen entlang, teils aber auch direkt an der Steilküste. Die Küste wird zunehmend schroffer und die Berge höher, ein direkter Zugang zum Meer ist selten. Aktuell sind wir wieder einmal froh, mit einem kleinen VW-Bus unterwegs zu sein. Die Landschaft ist geprägt von Wäldern, die 50 % der Fläche Sardiniens bedecken. Auch Weidelandschaft, über die Schafherden ziehen und Olivenhaine sieht man häufig.

Bosa ist ein Ort wie aus dem Bilderbuch. Auf dem Berg thront das Castello Malaspina, im Tal schlängelt sich der breite Fluss Temo, in dem sich die bunten Fassaden der Gebäude spiegeln. Die hohen Häuser lassen nur wenig Licht in die engen Gassen. Es ist etwas feucht, viele der Häuser stehen leer und warten auf neue Besitzer. Um die Stadt herum, in den Bergen, werden Oliven und Wein angebaut.

Die Fähre nach Sardinien

17. und 18. Januar 2024

Wir haben schon einige Fährfahrten auf unserer Reise gemacht, aber die Überfahrt nach Sardinien wird die längste sein. 15 Stunden sind wir unterwegs und da wir über Nacht fahren, buchen wir eine Kabine.

Unsere Fähre soll um Mitternacht in Barcelona ablegen. Wir verzichten auf eine Stadtbesichtigung da wir die Innenstadt meiden möchten. Laut den Sicherheitshinweisen der Touristeninformation sollte man bei der Fahrt durch die Stadt die Zentralverriegelung betätigen und die Fenster geschlossen halten.

So riesig hatten wir uns die Fähre nicht vorgestellt

Es gibt nur wenige (sehr teure) bewachte Parkplätze für Wohnmobile in der Innenstadt und so treffen wir schon vier Stunden vor Abfahrt am Terminal ein, aber wir sind bei weitem nicht die ersten. Mehrere Schlangen sind schon gut gefüllt. Wir vertreiben uns die Zeit unter anderem mit dem Lesen von meist sehr schlechten Bewertungen für unsere italienische Fährgesellschaft. Der Durchschnitt der Bewertungen liegt bei 1.3 Sternen: Diesen Negativrekord muss man erst einmal schaffen.

Wir amüsieren uns köstlich darüber, was alles bemängelt wird und schiefgehen kann. Obwohl wir einiges gewohnt sind und nicht so leicht zu schocken sind, packen wir dann doch noch Desinfektionstücher und unsere eigenen Kopfkissen ein. Beides benötigen wir aber dann doch nicht. Die Kabine ist zwar nicht besonders sauber aber wir haben frische Bettwäsche.

Unsere Kabine: 4 Bett, innen

Das Boarding verläuft nach unserem Gefühl recht chaotisch, einzelne Fahrzeuge werden aus den Reihen herausgewunken und vorbei an anderen gelotst. Immer wieder kommen noch LKW angebraust und es wird wild und hektisch in alle Richtungen gestikuliert. Kurz vor 24 Uhr können auch wir auf die Fähre fahren.

Die Überfahrt ist trotz ziemlicher Windstärke und spürbarem Wellengang recht unspektakulär. Schlafen ist nur bedingt möglich aufgrund des Geschaukels und der Motorengeräusche. Die Fähre ist nur teilweise gefüllt, Shops oder Restaurants sind zu oder nur für kurze Zeit geöffnet.

Einige Bars sind geschlossen
Nur wenige Reisende sind auf dem Schiff: Die Restaurants sind schwach besucht.

Aber am Vormittag gibt es eine Abwechslung: Eine Notfallübung. Wir müssen die Kabinen verlassen, uns zu Sammelpunkten begeben, dort erhalten wir Schwimmwesten und müssen uns in 4er-Reihen aufstellen. In die Rettungsboote geht’s dann doch nicht… Insgesamt ein ziemliches Chaos, die Durchsagen auf Englisch sind kaum zu verstehen und die Crew erteilt alle Anweisungen ausschließlich auf Italienisch. Aus mancher 4er-Reihe wird eine 6er-Reihe. Aber wir haben für den Notfall was gelernt, in der Hoffnung, dass er nie eintreten wird.

Pünktlich nach 15 Stunden erreichen wir den Hafen Porto Torres auf Sardinien.