Das Campmobil

Im April 2017 war es so weit: Kathrin und ich saßen mit gemischten Gefühlen in einem ICE Richtung Dresden, um uns einen Traum zu erfüllen. Um meinen Bauch hatte ich einen Geldgürtel mit einer Menge Bargeld gebunden: Die Anzahlung für einen gebrauchten Campingbus. Von Dresden aus wollten wir weiter Richtung Tschechien reisen, um einen VW-Bus abzuholen, der uns gut geeignet schien, um im Rahmen eines Sabbaticals Europa oder sogar andere Kontinente zu bereisen.

Aber vielleicht sollte ich die Geschichte von Anfang an erzählen:

Die Idee, mit einem Campingbus zu verreisen, gefiel Kathrin anfangs nicht sonderlich gut. Immerhin konnte ich sie überreden, mit einem gemieteten Bus eine Testfahrt zu unternehmen. Diese erste Fahrt führte uns an die Mecklenburger Seenplatte, wo wir meist auf kleinen Stell- oder Campingplätzen direkt am Wasser übernachteten. Und obwohl wir weder über Campingerfahrung noch über eine perfekte  Ausrüstung verfügten, entwickelte sich diese Woche zu einem echten Urlaubs-Highlight. In den Folgejahren sollte sich diese Woche Campingurlaub zu einer Tradition entwickeln.

Erste Campingerfahrungen mit einem gemieteten Bus

Im dritten Jahr unserer Campingkarriere – wir hatten bereits für den Sommer wieder einen Bus gemietet – entdeckte ich bei Mobile ein gebrauchtes Fahrzeug, das ziemlich genau meinen Idealvorstellungen entsprach und sie in einigen Punkten sogar übertraf.

Es handelte sich um ein VW T5 mit Polyroof Hochdach, Allrad und Differenzialsperre welches von der Firma Campmobil ausgebaut worden war. Also ein Fahrzeug, das gut geeignet zu ein schien, um auch unwegsame und kältere Regionen, wie zum Beispiel Island zu bereisen.

Campmobil Schwerin: Im Heck befindet sich die Küche und jede Menge Stauräume

Die Fahrzeuge der Firma Campmobil hatten es mir schon länger angetan. Sie verfolgen eine ganz andere Philosophie als die meisten anderen Ausbauer. So befinden sich die Möbel und die Küche im Heck. Die Rückbank wird in Verbindung mit den drehbaren Vordersitzen zu einer Sitzgruppe oder zu einer Schlafgelegenheit für zwei Personen. Das Dach kann wahlweise als Aufstelldach oder als festes Hochdach geordert werden. Beide Varianten besitzen Vor- und Nachteile. Mit dem flachen Hochdach bleibt der VW-Bus eher ein Alltagsfahrzeug, das auch in eine Tiefgarage passt. Das isolierte Hochdach hingegen eignet sich auch für Fahrten in kältere oder regenreichere Regionen oder sogar für das Wintercamping. Zudem kann man im Hochdach sogar unbemerkt im innerstädtischen Bereich übernachten.

Es ist also primär eine Frage der Reiseziele und der Reisephilosophie, für welche Dachform man sich entscheidet.

Da ich den Fahrzeugmarkt im Internet schon länger beobachtet hatte, war mir klar, dass die selten angebotenen Campmobil-Ausbauten oft sehr schnell verkauft waren, wenn sie über begehrte Ausstattungsmerkmale verfügten und dies war bei diesem Fahrzeug zweifellos der Fall. Allerdings gab es auch einen Haken: Das Fahrzeug war zwar erst zwei Jahre und vier Monate alt, aber bereits 115.000 Kilometer gelaufen. Zudem wollte der Verkäufer erst in einigen Monaten mit einer geschätzten Laufleistung von rund 150.000 km abgeben.

Obwohl mir diese Laufleistung deutlich zu hoch erschien, rief ich den Verkäufer an, um mich genauer über das Fahrzeug zu informieren. Wie zu vermuten nutzte der Besitzer – ein Landwirt – das Fahrzeug beruflich. Er hatte bereits einen neuen Camper geordert, der im August fertig sein sollte. Als er mir per Mail die Ausstattungsliste des Fahrzeugs zuschickte, staunte ich nicht schlecht. Bei der Fahrzeugbestellung war die Liste des möglichen Sonderzubehörs wohl nahezu komplett ausgewählt worden. Ein Grund mehr, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren, der etwa zwei Wochen später auf einem Rasthof nahe Leipzig stattfinden sollte.

Als Kathrin und ich dort eintrafen, stand das Fahrzeug bereits unübersehbar dort. Der erste Eindruck war eher niederschmetternd. Außen wies der Bus viele kleinere Dellen und Kratzer auf und der Schweller am rechten Hinterrad war eingedrückt. Und obwohl der Besitzer angab, das Fahrzeug  gründlich gereinigt zu haben, war das Fahrzeug innen staubig, der Himmel fleckig und einige Holzflächen zerkratzt.

Auf den ersten Blick machte das Fahrzeug keinen guten Eindruck

Die Probefahrt war für mich ein kleines Abenteuer. Ich war noch nie ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe gefahren, fühlte mich jedoch nach einigen hundert Metern bereits sicher. Das Fahrverhalten entschädigte für den äußeren Eindruck. Selten hatte ich ein Fahrzeug bewegt das sich so souverän über die Straßen dirigieren ließ.

Es war eine schwierige Entscheidung: Eine top Ausstattung und ein tolles Fahrverhalten einerseits und der schlechte optische Zustand und die hohe Laufleistung anderseits.

Wie war schlechte äußerliche Zustand und die extrem hohe Fahrleistung zu erklären? Der Landwirt bewirtschafte insgesamt drei Höfe. Einen in seiner Heimat nahe der dänischen Grenze, einen zweiten im Mecklenburg-Vorpommern und den dritten in Tschechien. Diese Höfe besuchte er in einem regelmäßigen Turnus von drei Wochen. Unterwegs diente ihm der Campingbus als Büro und als Schlafquartier. Auch Offroad wurde der VW T5 eingesetzt, wenn zum Beispiel Ersatzteile zu Landmaschinen auf die Felder gebracht werden mussten. Alles in allem berichtete Herr C. so unglaublich gradlinig und offen über das Fahrzeug, wie jemand der es gewohnt ist Verträge per Handschlag abzuschließen.

Trotzdem gab es bei uns einige Bedenken. Wie teuer würde die Reparatur des Schwellers werden? Wie hoch wäre die Laufleistung am Ende? Der Besitzer des Fahrzeugs schien unsere Bedenken zu spüren und nannte einen Verkaufspreis der etwas mehr als die Hälfte des ursprünglichen Neupreises entsprach. Mir war klar, dass dieser Preis nicht weiter verhandelbar war. Die optischen Mängel wären mit Hilfe eines geschickten Fahrzeugaufbereiters und einiger Eigenleistung weitgehend zu beseitigen aber den technischen Zustand konnten wir nicht einschätzen.

Am Ende entschieden wir uns für den Kauf des Fahrzeugs und handelten aus, dass der Schwellerschaden vor der Übergabe fachgerecht beseitigt werden sollte.

Diese Vereinbarungen hatten wir nur mündlich getroffen und daher staunte ich nicht schlecht als mir der Verkäufer kurze Zeit später eine Reihe von Bildern zusandte, die das Fahrzeug in einem Karosseriebetrieb zeigten. Dort wurde nicht nur der Schweller repariert sondern auch alle kleineren Kratzer und Beulen entfernt die im vorherigen Offroad-Einsatz entstanden waren. War der mündlich vereinbarte  Kaufpreis bei diesen umfangreichen Reparaturmaßnahmen zu halten? Ein Anruf beim Verkäufer ergab, dass es beim vereinbarten Preis bleiben würde.

Die Umfanreiche Aufbereitung des Campmobils

Kurze Zeit später erhielt ich per Mail eine Kopie des Protokolls einer VW-Fachwerkstatt, die eine Inspektion des Fahrzeugs durchgeführt hatte. Ich setzte mich mit dem Werkstattmeister in Verbindung, der das Protokoll unterzeichnet hatte. Auf meine Frage nach möglichen Mängeln, antwortete er, dass ich nach seiner Meinung dieses Fahrzeug bedenkenlos kaufen könne, da es von der Werkstatt im Rahmen der großen Inspektion sehr intensiv unter die Lupe genommen wurde und dabei keinerlei Probleme entdeckt wurden. Er persönlich würde eher ein Fahrzeug mit hohem Kilometerstand kaufen, welches ausschließlich auf Langstrecken bewegt wurde als ein Kurzstreckenfahrzeug mit niedriger Fahrleistung.

Ein Zweitgutachten durch einen weiteren  Prüfer hielt er nicht für notwendig.

Das klang alles sehr einleuchtend: Und da wir uns ein solches Fahrzeug zum Neupreis nicht hätten leisten können, entschieden wir uns das Risiko einzugehen, dieses Fahrzeug mit der recht hohen Fahrleistung zu kaufen.  Vielleicht wäre es eine gute Idee, den Geldbetrag für einen Austauschmotor zurückzulegen. Der recht günstige Kaufpreis würde eine solche Investition rechtfertigen und falls der Wagen die nächsten 200.000 Kilometer durchhalten würde, hätten wir ein echtes Schnäppchen gemacht.

Die Fahrzeugübergabe in Tschechien

Wie kam es dazu, dass wir das Fahrzeug ausgerechnet im Ausland übernommen haben?

Die Entfernungen zu den drei Höfen des Verkäufers waren von unserm Heimatort aus gesehen in etwa gleich. Für den Verkäufer war eine Übergabe in Tschechien günstig, da er dort den Bus gegen ein Ersatzfahrzeug tauschen konnte, welches er bis zur Auslieferung seines neuen Campingbusses/Büromobils nutzen konnte. Wir hingegen hatten das Interesse, das Fahrzeug möglichst schnell und mit möglichst wenigen zusätzlichen Kilometern zu übernehmen. Daher einigten wir uns auf diesen Übergabeort.

Allerdings erscheint die Vorstellung, mit einer größeren Summe Bargeld in ein fremdes Land, zu einem unbekannten Übergabeort zu reisen, ein schwer kalkulierbares Risiko darzustellen. Was, wenn sich der scheinbar günstige Kauf als dreiste Betrugsmasche entpuppt? Wenn nicht der freundliche ältere Verkäufer sondern mehrere kräftige Herren erscheinen würden, denen sachliche Argumente und gutes Benehmen wenig bedeuten?

Auch an dieser Stelle war ich vom Pragmatismus des Verkäufers überrascht. Sein Vorschlag: Eine kleinere Anzahlung in Bar und der Rest per Überweisung nach der Ankunft in Deutschland. Den Fahrzeugbrief würden wir dann nach Zahlungseingang der Gesamtsumme erhalten. Alles in allem ein Risiko, jedoch für beide Seiten. Also Augen zu und durch. Wenn es schiefgegangen wäre, die hämischen Bemerkungen unseres Umfelds wären uns sicher gewesen.

Je näher wir dem Ziel kamen, desto häufiger taste die Hand nach dem Geldgürtel. Die unbekannte Sprache, ein unbekanntes Bahnsystem, die Ungewissheit, ob alles funktioniert wie geplant. Aber irgendwann wich die Anspannung der Neugier. Die schöne dünnbesiedelte Landschaft, die an den Fenstern vorbeizog, machte Lust dieses Land irgendwann mit unserem neuen Wohnmobil zu entdecken, darin waren Kathrin und ich uns einig.

Nach einigen Stunden Fahrt mit Umsteigestopp in Prag erreichten wir den kleinen Bahnhof Ceska Trebova im Osten Tschechiens gelegen und nicht allzu weit von Österreich entfernt.

Der Verkäufer holte uns dort mit einem Geländewagen ab. Den hatte er vor wenigen Wochen gebraucht gekauft und auch dieser sah bereits recht rustikal aus. Auf den Sitzen und im Kofferraum ein dicke Schicht Lehm und Staub. Dies war kein Schicki-Micki Offroader, sondern ein Fahrzeug, dem man den Geländeeinsatz deutlich ansah. Dass auch unser zukünftiger 4×4 Bus »artgerecht« eingesetzt wurde, erfuhren wir auf der Fahrt nach Rychnov No Movare, wo wir das Fahrzeug übernehmen sollten.

Zum landwirtschaftlichen Betrieb des Verkäufers gehört ein großes Dammwildgehege, in dem etwa 200 Tiere gehalten werden. Wenn wir Interesse hätten, könnten wir dort hinfahren, meinte Herr C. Hatten wir natürlich und so fuhren wir Offroad einen steilen Hügel hinauf und erfuhren, dass auch der Allrad des Campmobils diesen Anstieg problemlos gemeistert hatte. Somit war die Frage, zur Geländegängigkeit des neuen Fahrzeugs, bereits geklärt.

Oben angekommen, hatten wir einen traumhaften Blick über die Landschaft. Die riesigen Felder vor uns wurden fast alle von den sieben Mitarbeitern des Hofes bewirtschaftet. Wie die Bearbeitung solch großer Flächen mit wenig Personal möglich ist, sahen wir als wir nach diesem Abstecher auf dem Hof ankamen. Dort stand eine landwirtschaftliche Maschine mit einem Mähbalken, der eine geschätzte Breite von 20 Metern aufwies.

Der Kaufvertrag war schnell geschlossen und dann fuhren wir mit unserem neuen Bus in der einsetzenden Dämmerung Richtung Landskrona. Dort hatte der Verkäufer für uns netterweise ein Hotelzimmer angemietet, da er uns eine Nacht in einem noch nicht ausgestatteten Bus ersparen wollte.

Am nächsten Morgen starteten wir früh, denn wir hatten noch eine Wegstrecke von über 500 km vor uns. Zunächst ging es über enge, kurvige Landstraßen durch dünn besiedelte Gebiete. Erstaunlich agil und kraftvoll ließ sich der Bus über die Straßen manövrieren. Manchmal war ich noch erschrocken über den plötzlichen Leistungsschub, den der Turbo beim Druck aufs Gaspedal entwickelte. Wir ließen es gemächlich und vorsichtig angehen. 3,2 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht verlangten nach einer vorausschauenden Fahrweise.

Gespannt war ich, welchen Verbrauch das Fahrzeug haben würde. Ich hoffte auf einen Durchschnittsverbrauch von weniger 10 Litern. Mir war klar, dass ein Hochdach, das Allradgetriebe mit Automatik-Schaltung und der 180 PS Motor keine spritsparende Kombination ist. Angenehm überrascht war ich daher, dass der Durchschnittsverbrauch laut Bordcomputer bei 8,9 Liter lag als wir am Zielort ankamen. Allerdings hatten wir das Fahrzeug auf der Autobahn im moderaten Geschwindigkeitsbereich bewegt. Der Tempomat war auf 125 km/h eingestellt. Die erste Hürde war geschafft: Das Fahrzeug stand in Erfurt und konnte umgemeldet werden

Die Fahrzeugaufbereitung

Zunächst sollten sich Profis um das Fahrzeug kümmern, um es grundlegend zu reinigen. Drei Fahrzeugaufbereiter wurden um ein Angebot gebeten. Erstaunlich groß war die Spanne der Preise. Zwischen 280,- und 500,- € sollte eine Innenreinigung und eine Reinigung des Fahrzeuglacks kosten.

Ich entschied mich für Angebot eines Ein-Mann-Betriebs. Der Inhaber erschien mir kompetent und seriös. Einen Arbeitstag hatte er für die Fahrzeugreinigung veranschlagt. Was für ein Glücksgefühl als ich das Fahrzeug abholte. Schon aus der Ferne sah ich, wie neuwertig der Lack in der Sonne strahlte. Auch die Teppiche im Innenraum sahen aus wie neu. Der Dachhimmel, der etliche Gebrauchsspuren von schmutzigen Fingern oder landwirtschaftlichen Werkzeugen aufwies, strahlte fleckenlos. Nur die Schlafrückbank ließ sich nicht in Ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Mehr als zwei Jahre intensiver Gebrauch als Sitz- und Schlafcouch und der Kontakt mit Arbeitskleidung ließen sich nicht neutralisieren.

Erstaunlich, wie schnell ein Profi aus einem schmuddeligen Bus einen schnieken Camper zaubern kann. Ich denke, dass wir nach längeren Reisen regelmäßig die Dienste eines Fahrzeugaufbereiters in Anspruch nehmen sollten.

Die Innenreinigung der Schränke war meine Aufgabe und da gab es noch genug zu tun.

Überall in jeder kleinsten Ritze war gelber Staub zu finden. Kein Wunder, denn das Fahrzeug hatte die 2 1/2 Jahre als Arbeitspferd in einem landwirtschaftlichen Betrieb verbracht. Woher der ganze gelbe Staub stammte, konnte ich nachvollziehen, wenn ich mir einen Mähdrescher beim Ernteeinsatz vorstellte.

Und es war nicht nur Staub zu finden. Zwischen den Abdeckungen des Unterbodens und im Reserverad hatten sich kiloweise Erde und Getreidestoppeln angesammelt.

An einigen Möbelteilen gab es unschöne Kratzer und Beschädigungen. Sollte ich diese Teile spachteln und neu lackieren oder austauschen lassen? Ich entschied mich dafür, die schadhaften Bereiche zunächst mit selbstklebendem Fahrzeugfilz zu bekleben. Das Ergebnis gefiel mir gut und außerdem verhindert dieses Material weitere Beschädigungen, wie sie bei einer intensiven Nutzung des Fahrzeugs leicht entstehen können.

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